piwik no script img

Prozess um fragwürdiges VerkehrsdeliktVier Zeugen, zwei Frauen und ein Polizist

Fast wäre eine Frau wegen Fahrens ohne Führerschein verurteilt worden, nur wegen der Aussage eines Polizisten. Einig war man sich nicht einmal in der Frage, ob an dem Tag die Sonne schien.

Am Ende war sogar der Staatsanwalt für Freispruch. "Ich glaube fest, dass die Angeklagte gefahren ist. Aber ich kann es nicht beweisen." Angela K. stand am Dienstag vor dem Amtsgericht Tiergarten, weil sie im September 2008 ohne Führerschein gefahren sein soll. Die Anklage basierte allein auf den Aussagen eines Verkehrspolizisten. Das war dann selbst dem Staatsanwalt nicht genug. Und die Richterin folgte seinem Antrag auf Freispruch.

Am ersten Verhandlungstag vergangene Woche hatte es dagegen noch schlecht ausgesehen für K. Dabei hatte sie drei Zeugen vorgebracht, die aussagten, dass sie zur angeblichen Tatzeit in der Meldestelle Charlottenburg in der Otto-Suhr-Allee war und nicht, wie der Polizist behauptete, im Auto in der Hildegardstraße in Wilmersdorf. Dies sagten ihre Mitbewohnerin, ihre Mutter und ein Bekannter der Mutter. Ihre Version: Die Mutter hat den Wagen in der Hildegardstraße im Halteverbot geparkt, was sie wegen ihres Behindertenausweises auch dürfe, und ging in den Laden, um die dort arbeitende Tochter zu vertreten, die ja bei der Meldestelle war. Der Beamte im Polizeiwagen hielt hinter dem falsch geparkten Wagen, um sich das Kennzeichen zu notieren. Die Mutter ging hinaus und wies den Polizisten B. auf ihren Behindertenausweis hinter der Frontscheibe hin. Doch der Mann blieb sitzen, weil es so sehr regnete. Die Mutter parkte den Wagen danach auf der anderen Seite und dachte, die Sache wäre damit erledigt. Doch sie bekam einen Strafzettel wegen Falschparkens.

Völlig erbost schrieb sie eine Beschwerde an den Polizisten: "B. ist offensichtlich wasserscheu und behindertenfeindlich." Im Dezember klingelte es an der Tür. Der Polizist B. wollte mit der Mutter reden, sie aber nicht mit ihm. B. ging im Anschluss zur Tochter, die von diesem Besuch völlig eingeschüchtert wurde und kurz glaubte, dass gegen sie ein Haftbefehl vorliege. Ihren Führerschein hat sie seit 2002 nicht mehr, weil sie damals wegen Fahrens ohne Papieren verurteilt worden war.

Ein Haftbefehl kam nicht, wohl aber eine Anzeige: Der Polizist hatte recherchiert, dass K. die Halterin des Autos ist. Seine Version: Er habe mit K. am falsch geparkten Auto gesprochen und gesehen, wie sie das Fahrzeug umgeparkt habe. Sie habe das Kfz wissentlich ohne Schein geführt, hieß dann auch die Anklage des Staatsanwalts. K. und ihre Mutter vermuten, dass der Polizist sich mit der Anzeige schützen wollte. Der Vorwurf an die Tochter sei konstruiert, um zu vertuschen, dass er zu Unrecht das Knöllchen an die Mutter verschickt habe. Das Gericht aber hielt die Darstellung des Polizisten für "überzeugend". Er schilderte Details dieses Septembertages, wie er sich mit K. heftig gestritten und dass die Sonne geschienen habe. Die Mutter sagte allerdings das glatte Gegenteil: Sie habe sich wegen des Regens eine Matte über den Kopf gehalten, als sie zum Auto ging. Der Deutsche Wetterdienst bestätigte der taz, dass zum Zeitpunkt, als der Strafzettel ausgestellt wurde, alle um Wilmersdorf liegenden Wetterstationen leichten Regen gemeldet haben.

Vielleicht wäre das Verfahren wegen der gegensätzlichen Aussagen eingestellt worden. Doch K. konnte am Dienstag noch eine vierte Zeugin präsentieren: Die Beamtin aus dem Charlottenburger Meldeamt bestätigte, dass K. am fraglichen Septembertag bei ihr war - auch laut dem behördlichen Computersystem der Meldestelle. So ganz überzeugte das die Richterin aber auch nicht. In der Urteilsbegründung sagte sie zur Angeklagten: "Ich kann nicht zweifelsfrei feststellen, wo Sie zur Tatzeit gewesen sind."

Nach dem Freispruch für K. beginnt nun das Verfahren gegen den Polizisten. K. hat ihn angezeigt - wegen Verfolgung Unschuldiger.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!