Prozess um brennende Autos: Angeblicher Brandstifter wieder frei
Freispruch für einen 25-Jährigen, der aus politischen Gründen einen Mercedes in Kreuzberg angezündet haben soll. Das Gericht hält nicht ein einziges der belastenden Indizien für sicher
Als das Wort "freigesprochen" durch den Gerichtssaal hallt, klatscht eine junge Frau im Zuschauerraum kurz vor Erleichterung. Der Angeklagte Niels V. lächelt Richtung Publikum. Der 25-jährige Niederländer war vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen Brandstiftung angeklagt. Der Staatsanwalt wirft ihm vor, im Juni 2009 einen Mercedes in der Kreuzberger Adalbertstraße angezündet zu haben. Er vermutet eine "vermeintlich politisch motivierte Tat". Doch die Richterin überzeugt das nicht. "Kein einziges Indiz ist sicher", sagt sie in ihrer Urteilsbegründung. Daher gebe es keine Alternative zum Freispruch. Der Staatsanwalt will in Berufung gehen.
Zwei Polizisten hatten den V. und einen Begleiter in der Nähe des brennenden Autos festgenommen. Bei der Personenkontrolle war einem der Beamten aufgefallen, dass sich V. eine verdächtige "weiße Anhaftung" von der Jacke gestreift habe. Der Staatsanwalt ging davon aus, dass es sich dabei um weißen Grillanzünder gehandelt habe. Der gilt als Brandursache.
Für Klarheit sollten zwei Sachverständige sorgen, die auf Antrag des Staatsanwalts für den zweiten Prozesstag geladen waren. Diese hatten sowohl die Jacke des Angeklagten als auch die Spuren im Auto untersucht. Der Chemiker räumte ein, dass es sich bei der Spur auf der Jacke um Grillanzünder handeln könnte, allerdings auch um "unheimliche viele" andere Stoffe, wie Petroleum beispielsweise.
In seinem Plädoyer argumentierte der Staatsanwalt, dass es zwar keinen sicheren Beweis für die Übereinstimmung der Spuren gebe, dass aber "an jeder Ecke eine Petroleumlampe steht", sei ebenfalls unwahrscheinlich. Seine Forderung: zwei Jahre und sechs Monate Haft. V.s Anwalt hielt dagegen, das "vermeintlich stärkste Argument" - die Spur auf der Jacke - sei nicht aussagekräftig, da es sich um Kohlenwasserstoff handele, der vom Anzünder für die Öfen in V.s Berliner Unterkunft stammen könne.
V. selbst hatte sich als Mitglied der linken Szene bezeichnet, jede Verantwortung für den Brand jedoch von sich gewiesen. In der Vergangenheit hatte es mehrere Anklagen wegen mutmaßlich politisch motivierter Autobrandstiftung gegeben. Zu einer Verurteilung reichte es bisher nie.
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