Prozess um Polizisten-Anschlag: Wenn der Rechtsstaat die Polizei stört

Am heutigen Montag fällt vor dem Landgericht Bremen das Urteil gegen vier Jugendliche, die versucht haben sollen, zwei Polizisten zu töten. Der Prozess brachte dubiose Vernehmungsmethoden zu Tage -- genutzt werden sollen die Aussagen dennoch.

Im Einsatz: Mit einem fingierten Notruf waren die Polizeibematen nach Bremen-Gröpelingen gelockt worden. Bild: DPA

Die vier Jugendlichen, keiner älter als 16, wollten die zwei Polizisten ermorden. Meint die Staatsanwaltschaft. Also sollten sie ins Gefängnis, jedenfalls die Haupttäter. Der eine - er soll den Plan ersonnen haben - für drei Jahre. Der andere, der mit einem Molotow-Cocktail in der Hand vor dem Polizeiauto stand, fast genauso lange. Mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe soll nur davonkommen, wer für das Zertrümmern der Scheibe zuständig gewesen sei. Eine harte, seltene Strafe für Minderjährige.

Dabei wurde der Brandsatz noch nicht einmal angezündet. Ihren Plan - sagt die Verteidigung - hätten die vier fallen gelassen, wenn auch erst in letzter Minute. Also kein versuchter Mord, keine versuchte schwere Brandstiftung. Bliebe ein Verstoß gegen das Waffengesetz übrig, dazu ein Missbrauch des Notrufes, schließlich waren die Polizisten unter falschem Vorwand nach Bremen-Gröpelingen gelockt worden. Nichts, was eine Haftstrafe rechtfertigen würden. Heute spricht die Große Jugendkammer des Landgerichts Bremen aller Voraussicht nach ein Urteil, laut Gesetz unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Würden die vier Jugendlichen vom Vorwurf des Mordversuchs freigesprochen, wäre das nicht unbedingt der Milde des Gerichts geschuldet. Die Polizei hat schlampig, wenn nicht sogar rechtswidrig ermittelt. Sie belehrte keinen der Jugendlichen ordnungsgemäß über seine Rechte. Weder Anwälte noch Eltern wurden konsultiert. Die Polizei unternahm keinen Versuch, diese über die Vernehmung ihrer Kinder auch nur in Kenntnis zu setzen. Doch genau das hätte passieren müssen, und zwar "unverzüglich". So steht es im bremischen Polizeigesetz.

Aber die Ermittler wollten ja gerade verhindern, dass die Eltern kommen. Und stören. Das bestätigten sie als Zeugen vor Gericht. Man habe die "Gefahr weiterer Anschläge" auf Polizisten verhindern müssen. Wäre alles rechtmäßig abgelaufen, hätten die Jugendlichen womöglich kein Geständnis abgelegt, schon gar nicht unter diesen Umständen. Der potenzielle Molotow-Werfer etwa musste sich während seines nächtlichen Verhörs bis auf die Unterwäsche ausziehen. Die Polizisten steckten ihn dafür in einen Papieroverall, eine "entwürdigende Maßnahme", wie sein Anwalt Sommerfeldt sagt, eine, die "einschüchtert". Das Verhör fand nicht etwa unmittelbar nach der Festnahme statt, also kurz nach Mitternacht. Sondern morgens zwischen 3.15 und 4.25 Uhr. Drei weitere Stunden vergingen, ehe das dazugehörige Vernehmungsprotokoll unterzeichnet wurde. Der Beschuldigte, so wird berichtet, machte da einen reichlich "müden Eindruck". Doch die Polizei hielt ihm die Augen offen - mit einem starken Scheinwerfer. Eine Vernehmungsmethode, wie sie das Strafprozessordnung verböte, sagen die Verteidiger.

Mehr als dummer Zufall scheint es da zu sein, dass Bremens Leitender Oberstaatsanwalt Dietrich Klein jüngst eine via Bild bekannt gewordene Dienstanweisung ausgab. Jugendliche sollten nicht mehr mit einer Verfahrenseinstellung davon kommen, Strafverfahren möglichst bis zu einer Verurteilung durchgezogen werden. Vor allem bei so genannten Intensivtätern. Klein war mit diesem Verfahren selbst nicht befasst. Er sieht auch "weiß Gott keinen Zusammenhang". Ihm sei es nur um Jugendgerichte gegangen.

Doch das Landgericht will von einem "Verwertungsverbot" der Vernehmungen ohnehin nichts wissen. Und was gegen den Aussagenden selbst nicht zu verwenden sei, könne sich sehr wohl gegen die drei anderen richten. Zwar seien die Vernehmungen "ungewöhnlich" gewesen. Ja, auch "wenig jugendgerecht". Andererseits sachlich gerechtfertigt, habe es doch Hinweise auf weitere Täter gegeben, "die ,Krieg mit der Polizei' suchten", wie das Gericht schreibt. Überhaupt sei alles wegen der flüchtigen Benzinspuren "besonders eilbedürftig" gewesen. Und schließlich seien die vier ja im Jahr zuvor schon mal belehrt worden. Die Clique ist wegen Diebstählen und Körperverletzungen bereits strafrechtlich aufgefallen. Sollte das Gericht zu einer Verurteilung wegen versuchten Mordes oder versuchter schwerer Brandstiftung kommen, werden die Verteidiger auf jeden Fall in Revision vor dem Bundesgerichtshof gehen. Das haben sie bereits angekündigt.

Zwar käme als mildernder Umstand auch der zumindest bei Teilen der Angeklagten eher niedrige Intelligenzquotient in Frage. Doch ein Sachverständiger sieht sie samt und sonders als "voll schuldfähig" an. Entwicklungsdefizite mochte er jedenfalls keine erkennen. Dann aber, argumentieren die Verteidiger, könnte man sie auch in ein Heim geben, in Therapie, irgendwohin, wo auch der "Erziehungsgedanke" des Jugendstrafrechts noch eine gewisse Rolle spiele.

Bernd Stege, der Anwalt des Nebenklägers, sieht das anders. Er vertritt den 29 Jahre alten, ihm zufolge "schwer traumatisierten", Polizisten. Bei diesen Jugendlichen, sagt Stege, hätten nicht allein die Jugendämter versagt. Sondern "alle" erzieherischen Mittel.

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