piwik no script img

Prozess um Oury-Jalloh-FeuertodPolizist bricht sein Schweigen

Im Prozess um den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in seiner Zelle in Dessau spricht der angeklagte Polizist erstmals über ignorierte Hilferufe.

War sein Tod ein Unglück? Viele Freunde von ihm bezweifeln das. Bild: dpa

MAGDEBURG dapd | Der wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Fall des Asylbewerbers Oury Jalloh angeklagte Polizist hat am Freitag vor dem Magdeburger Landgericht überraschend sein Schweigen gebrochen. In einer persönlichen Erklärung schilderte der 50-Jährige, der damals als Dienstgruppenleiter die Verantwortung für die Abläufe im Dessauer Polizeirevier trug, den tragischen Verlauf des Unglücks. Der Mann sagte, dass ihm der Vorfall leidtue, fremdenfeindliche oder rassistische Motive wies er ausdrücklich zurück.

Der an Händen und Füßen gefesselte Oury Jalloh war am 7. Januar 2005 bei einem Brand in seiner Zelle gestorben. Er war zuvor in Gewahrsam genommen worden, weil er in betrunkenem Zustand mehrere Frauen belästigt haben soll. Der angeklagte Polizist soll den Feueralarm mehrfach ignoriert haben, wurde aber 2008 vom Landgericht Dessau-Roßlau freigesprochen. Nachdem der Bundesgerichtshof das Urteil im vergangenen Jahr aufgehoben hat, steht der Polizist seit Anfang Januar erneut vor Gericht.

Der Angeklagte gab an, zunächst aus der Sprechanlage "Rufe und rasselnde Geräusche" gehört zu haben. Weil er ein Telefonat führte, habe er den Lautsprecher heruntergedreht. Eine Kollegin habe die Anlage aber wieder aufgedreht. Kurz darauf sei der Feuermelder angesprungen. Das Signal habe er abgedreht und die Schlüssel geholt. Wenige Augenblicke später sei die Anlage erneut angesprungen.

Beim Öffnen der Zellentür sei ihm dichter Rauch entgegengekommen. Daraufhin habe er einen Feuerlöscher aus einem Streifenwagen geholt. Wegen des Rauches habe er jedoch nicht löschen können und die Feuerwehr gerufen. "Erst später ist mir bewusst geworden, dass Jalloh bei dem Unglück gestorben ist."

Die Verhandlung soll mit der Befragung des angeklagten Polizisten am 1. Februar fortgesetzt werden. Die Verteidigung kündigte an, dass der Angeklagte die Fragen umfassend beantworten werde.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • SL
    Sam Lowry

    Die "höhere Gerechtigkeit" macht jedes Individuum im Universum zu seinem eigenen Richter!

     

    (Temet Nosce)

  • A
    atypixx

    @ Sam

     

    und wie würde diese "höhere Gerechtigkeit" aussehen? Würde sie strafend sein (wie die irdische) oder nicht?

  • E
    Engola

    Mehrfache Fehler des Beamten durch Nichtbeachten der Alarmsignale = unterlassene Hilfeleistung. - Und dann dieser wunderbare Satz: "Daraufhin habe er einen Feuerlöscher aus einem Streifenwagen geholt." < Es gab keinen stationären Feurlöscher im Gebäude? - Mit dieser Aussage sind einige andere Leute wegen fahrlässiger Tötung mit anzuklagen.

     

    Dieser Prozess ist eine Farce.

  • SL
    Sam Lowry

    Es hilft letztlich nur der Glaube an eine höhere (universelle) Gerechtigkeit. Der Mensch ist dazu nicht in der Lage.

  • P
    pablo

    dann hoffen wir mal das der werte polizist zu mindest wegen unterlassener hilfe mit todesfolge die volle härte des gesetzes zu spüren bekommt, denn gerade bei polizisten ist dieses verhalten in keinster weise zu tollerieren.

  • A
    Amos

    Das ist mal wieder typisch Polizei: Hass auf die Asylanten, aber kein Hass aufs Grundgesetz.

  • L
    limonadenjoe

    Der muss den Feuerlöscher erst aus dem Auto holen ??!?? Was ist das denn für'n Quatsch...

  • H
    Holla

    Frau Spieß von Amnesty International (AI) sagt: "Allerdings kam im Prozess zutage, dass es massive rassistische Äußerungen von seiten der Polizei gab." Zitat Ende. Nun steht in diesem Artikel und auch auf genauer recherchierten Informationsseiten: Der Angeklagte Andreas S. weise fremdenfeindliche oder rassistische Motive zurück. - Nicht nur das die erste Verhandlung eine Farce war, die durch juristische Tricksereien und polizeiliche Behinderungen der Ermittlungen der StA gegen die sauberen Beamten möglich wurde, mit der Folge, dass der BGH sich gezwungen sah, das Urteil des unfähigen Richters wieder aufzuheben.

     

    Nein, nun spielt hier Andreas S. im zweiten Akt des Theaterstücks das Opfer der Verhältnisse und weist die einzig in Frage kommenden Motive für die Misshandlungen und fahrlässige Tötung von Oury Jalloh, politisch korrekt wie der Beklagte ist, zurück. Ein gelungenes soufflieren der Verteidigung, ein weiterer Hohn auf die Familie und Freunde des Verstorbenen. -

     

    Die Waldfee