Prozeß um Mißhandlungen im Gefängnis: Keine Schuld
■ JVA-Beamte decken sich gegenseitig
Den Paragraphen 94 des Strafvollzugsgesetzes kann der JVA-Beamte Jürgen N. auswendig: „Bedienstete der Justizvollzugsanstalten dürfen unmittelbaren Zwang anwenden“, zitierte er den Gesetzestext gestern aus dem Stegreif vor Gericht. Er sei sich keiner Schuld bewußt, sagte der vom Dienst suspendierte Beamte weiter. Wie berichtet, müssen sich Jürgen N. und acht weitere Beamte der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen vor dem Amtsgericht wegen Körperverletzung im Amt verantworten. Die Beamten sollen Häftlinge mißhandelt haben. Die Staatsanwaltschaft hält Jürgen N. für den Anführer der jetzt angeklagten Schicht.
Er habe nur bei renitenten Gefangenen Gewalt angewendet, bestritt N. die Vorwürfe. Seine Kollegen, die Jürgen N. und sich selbst vor der Staatsanwaltschaft belastet hatten, waren gestern – als sie gemeinsam mit N. auf der Anklagebank saßen – voll des Lobes. „Ich habe gerne mit Kollegen N. Dienst gemacht“, sagte Olaf K., der sich nach der Einleitung des Ermittlungsverfahrens freiwillig bei der Staatsanwaltschaft gemeldet hatte, um eine Aussage zu machen. „Ich kann noch eins draufsetzen“, hatte er damals wörtlich ausgesagt und von der Mißhandlung eines Häftlings durch N. berichtet. Jürgen N. rief seinen Kollegen daraufhin an und warnte ihn: „Hier spricht dein Gewissen.“ Er und die anderen Vollzugsbeamten hätten niemanden mißhandelt, sondern nur ihre Pflicht getan. Nach diesem Anruf wurde Jürgen N. wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft genommen. Er hätte damals, unmittelbar vor seiner Aussage bei der Staatsanwalt, Nachtdienst gehabt und wäre 24 Stunden wachgewesen, relativierte Olaf K. seine Aussage gestern. In der Verhandlungspause setzte er sich in der Gerichtskantine neben Jürgen N. und reichte ihm die Hand.
Auch der Beamte Wilhelm F. fand die Arbeit mit Jürgen N. „irgendwie angenehm.“ Vor der Staatsanwaltschaft hatte er noch über eine „schleichende Veränderung“ und ein „härteres Durchgreifen“ gegenüber Gefangenen geklagt. Darüber hinaus hatte F. ausgesagt, daß N. einen Gefangenen geschlagen hätte. Jürgen N. hätte sich „durch Können“ hervorgetan, sagte Wilhelm F. hingegen gestern. „Er war immer da, wenn man ihn brauchte.“ kes
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen