Prozess um Folter und Mord in der JVA: "Ich kannte ihn gar nicht"
Zwölf Stunden Folter, anschliessend Mord. Nun steht Pascal I. für seine Taten in der JVA Siegburg erneut vor Gericht. Ihm droht Lebenslänglich und Sicherheitsverwahrung.
BONN taz | Regungslos sitzt Pascal I. auf der Anklagebank im Saal S.0.11 des Bonner Landgerichts. Sein Blick ist nach unten gesenkt. Eine dreiviertel Stunde lang trägt der Vorsitzende Richter Theodor Dreser alle fürchterlichen Details jenes Verbrechens vor zweieinhalb Jahren in der JVA Siegburg vor, wegen dem der inzwischen 21-Jährige an diesem Donnerstag erneut vor Gericht steht: der Folterung und Ermordung seines Mithäftlings Hermann H.. Was er heute darüber denkt, fragt ihn der Richter. "Ich finde dafür keine Antwort", antwortet Pascal I. mit stockender Stimme. "Das schlimmste daran ist, dass ich den gar nicht kannte, er mir gar nichts getan hat." Tränen schießen aus seinen Augen.
Zu solchen emotionalen Regungen zeigte sich Pascal I. im ersten Verfahren vor dem Landgericht noch nicht fähig. Mittlerweile scheint er begriffen zu haben, dass es jetzt für ihn um alles geht. Denn in dem Prozess, der gestern vor der 2. Großen Strafkammer begonnen hat, geht es um nichts weniger als die Frage, ob der Heranwachsende jemals wieder die Chance erhalten wird, in Freiheit zu leben. Und es sieht nicht gut für ihn aus. Die gegen Pascal I. und zwei weitere an der Tat beteiligte Mitgefangene im Oktober 2007 ergangenen Schuldsprüche sind bereits rechtskräftig. Es geht nur noch um die Höhe seiner Strafe.
Fast zwölf Stunden hatte das Trio Hermann H. im November 2006 in ihrer Zelle erniedrigt und gequält. Dann gewährten sie ihm eine letzte Zigarette, lasen ihm aus der Bibel vor - und hängten ihn "weg", wie sie später aussagten. Die Tat hatte wegen ihrer unfassbar erbarmungslosen Brutalität bundesweit Entsetzen ausgelöst. Während der Bundesgerichtshof im August vergangenen Jahres die Urteile für die beiden Mittäter - zehn Jahre Jugendstrafe für Dany K. und 14 Jahren Haft für Ralf A. - bestätigte, hob er im Fall des Rädelsführers Pascal I. das verhängte Strafmaß auf. Es erschien den Bundesrichtern als zu niedrig.
Das Landgericht hatte Pascal I. wegen Mordes, gefährlicher Körperverletzung in fünf, Vergewaltigung in zwei Fällen sowie besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt.
Obwohl ein Gutachter dem Heranwachsenden eine "verfestigte dissoziale Persönlichkeit ohne Möglichkeit der Nachreifung" bescheinigt hatte, gingen die Richter bei ihrem verhältnismäßig milden Urteil davon aus, dass der Angeklagte noch resozialisierbar und seine Persönlichkeitsentwicklung "nicht hoffnungslos" abgeschlossen sei. Diese positive Prognose erachtete der BGH allerdings als "nicht tragfähig". Deswegen wird nun neu verhandelt. Jetzt droht Pascal I. lebenslange Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Der Prozess ist auf fünf Verhandlungstage angesetzt. Am 8. Mai soll das Urteil verkündet werden.
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