Prozess nach Freiraum-Demo: Wannenwackler muss in den Knast
Fünfzehn Monate Haft für einen 33-Jährigen wegen Angriffs auf einen Polizisten bei "Freiraumdemo" im März. Die Strafe soll potenzielle Randalierer und Gewaltbereite abschrecken, so der Richter.
Für das Anliegen der Demonstranten hatte der Richter durchaus Verständnis. Für die Gewalttaten am Ende der Proteste vom 14. März jedoch nicht: Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte am Mittwoch einen Gelegenheitsarbeiter wegen gefährlicher Körperverletzung und anderer Delikte zu 15 Monaten Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hatte 16 gefordert. Der Richter sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte an diesem Tag in Kreuzberg bei einer "Freiraumdemo" für den Erhalt alternativer Wohnprojekte zusammen mit anderen versucht hat, einen Polizeiwagen umzustürzen, und später einen Beamten schlug. Der aus Litauen stammende Angeklagte gestand die Tat mehr oder weniger: "Es war wohl so, dass ich ihn geschlagen habe, so richtig erinnern kann ich mich nicht." Einen Liter Wodka und viel Bier habe er am Vormittag getrunken, dazu LSD und Haschisch genommen. Eher zufällig und ohne zu wissen, für oder gegen was er demonstriere, sei er am Nachmittag zum Protestmarsch gestoßen. "Ich war zum ersten Mal bei so was." In seinem hellgrünen Pulli war er der Polizei schon zu Beginn aufgefallen, sagte ein Polizist aus.
Gegen Ende der Demo versuchten etwa 25 Vermummte, in der Revaler Straße einen Mannschaftswagen umzustürzen. "Mein Mandant hat sich hinreißen lassen mitzumachen", sagte die Anwältin. Ein Polizeibeamter, der als Kontaktperson im Einsatz war und daher keine Panzerung trug, wollte den Wagen und seinen darin sitzenden Kollegen beschützen. Dabei schlug ihm ein unbekannter Demoteilnehmer mit einem Kantholz auf den Hinterkopf. "Der Angeklagte gab mir dann einen Faustschlag aufs Jochbein. Ich konnte sein Gesicht gut erkennen", sagte er. Die Szene wurde auf Video festgehalten. Nicht wie gewöhnlich von der Polizei, sondern von einem Demoteilnehmer, der den Clip später bei YouTube veröffentlichte. Das Video wurde im Prozess als Beweismaterial verwendet.
"Es tut mir sehr leid. Ich verstehe nicht, was mit mir los war, und werde mich bessern", versprach der Angeklagte am Ende des vierstündigen Prozesses. Er war zur Tatzeit auf Bewährung, weil er vor einem halben Jahr beim Klauen und Mitführen eines "gefährlichen Werkzeugs" erwischt wurde. Die Verteidigung forderte eine erneute Bewährungsstrafe. Der Richter sah das anders. "Sie haben den Beamten als Feind angesehen und ihn gezielt angegriffen, das ist vorsätzliche Körperverletzung", sagte er. "Das Urteil soll Signalwirkung haben, damit ein bestimmter Kreis von Personen abgeschreckt wird."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?