Prozess in den USA: 9/11-Verdächtige kommen vor Gericht
Es soll der größte Terror-Prozess auf US-Boden werden: Die mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 werden vor ein ziviles Gericht in New York gestellt.
WASHINGTON dpa | Die mutmaßlichen Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September 2001 sollen vor ein ziviles Gericht in New York gestellt werden. Das hat das US-Justizministerium entschieden, berichtete der US-Sender NPR am Freitag. Demnach wird der Gruppe der Verdächtigten um Chalid Scheich Mohammed der Prozess nicht weit von dem Ort entfernt gemacht, an dem einst die Türme des World Trade Centers standen. Hier allein starben bei den Anschlägen etwa 2600 Menschen. Das Verfahren in New York wäre mit weitem Abstand der bisher größte und spektakulärste Terror-Prozess auf US-Boden.
Präsident Barack Obama äußerte sich während seines Aufenthalts in Tokio zunächst nicht zu der Entscheidung. Er wolle einer noch für den Freitag geplanten Pressekonferenz seines Justizministers Eric Holder nicht vorgreifen. Obama zeigte sich aber "absolut überzeugt" davon, dass Mohammed einem Verfahren nach den "peinlichst genauen" Erfordernissen der Justiz unterworfen werde.
Die mutmaßlichen Topterroristen werden zurzeit im Gefangenenlager Guantánamo Bay auf Kuba festgehalten, das Obama möglichst bald schließen will. Mohammed, einst die "Nummer drei" im Terrornetzwerk El Kaida, gilt als Drahtzieher der Anschläge vom 11. September. Er soll seine führende Rolle eingestanden haben, wurde aber nach US- Regierungsunterlagen bei Verhören in einem geheimen CIA-Gefängnis während der Zeit von Präsident George W. Bush 183 Mal dem Waterboarding unterzogen - einer Foltermethode, bei der Ertränken simuliert wird.
Zur Gruppe der Fünf gehört ferner Ramzi Binalshibh, der zur Hamburger Zelle um den Anführer der Todespiloten vom 11. September, Mohammed Atta, gezählt wird. Die anderen Drei sind Ali Abdel Asis Ali und Mustafa Ahmed al-Hausawi, denen hauptsächlich finanzielle Unterstützung der Anschläge angelastet wird, sowie Walid bin Attasch, der in direktem Kontakt mit den Todespiloten gestanden haben soll.
Nach bisherigen Plänen sollte der Gruppe der Prozess vor einem der umstrittenen Militär-Sondertribunale gemacht werden, die eigens zur Aburteilung der Gefangenen in dem Lager geschaffen wurden. Obama will die sogenannten Militärkommissionen beibehalten, aber mit neuen Prozessregeln, die auf mehr Rechte für die Angeklagten abzielen.
Wie NPR berichtete, hat Holder inzwischen auch entschieden, dass ein weiterer Guantánamo-Gefangener, Abdel Rahim al-Naschiri, vor eines der Sondergerichte gestellt werden soll. Er gilt als Drahtzieher der Anschläge auf das US-Kriegsschiff USS Cole im Oktober 2000 im Jemen, bei dem 17 amerikanische Soldaten getötet worden waren.
Die US-Regierung hatte ihre Entscheidung über den Prozess gegen die fünf mutmaßlichen Topterroristen und andere Gefangene wiederholt verschoben. Die jüngste Frist wäre am 16. November abgelaufen. Nach US-Vorschriften muss der Kongress 45 Tage vor einer Verlegung von Guantánamo-Häftlingen auf US-Boden informiert werden. Das deutet darauf hin, dass die Gruppe der Fünf frühestens Anfang nächsten Jahres nach New York gebracht wird.
Die US-Regierung hat sich nach Spekulationen unter anderem für diese Stadt als Prozess-Schauplatz entschieden, weil Mohammed dort bereits 1966 wegen angeblicher Pläne für Anschläge auf 12 Flugzeuge über dem Pazifik angeklagt worden ist. Damit könnten die Anklagepunkte im Zusammenhang mit dem 11. September schlicht hinzugefügt werden, hieß es. Außerdem habe insbesondere das für den großen Prozess vorgesehene New Yorker Bezirksgericht bereits Erfahrungen mit Terror-Verfahren.
Obama hatte kurz nach seinem Amtsantritt im Januar angekündigt, dass er Guantánamo binnen eines Jahres schließen werde. Inzwischen zeichnet sich jedoch ab, dass er das Vorhaben in dem gesetzten Zeitraum nicht wird umsetzen können. Dennoch gilt es als eher unwahrscheinlich, dass Prozesse auch vor Militärkommissionen noch in dem Lager stattfinden werden. Allerdings gibt es im US-Kongress weiterhin Widerstände gegen eine Verlegung von Gefangenen in die USA. In Guantánamo Bay werden zurzeit noch etwa 215 Menschen festgehalten. Bis zu 50 von ihnen sollen nach Empfehlungen einer Arbeitsgruppe der US-Regierung auf amerikanischem Boden vor Gericht gestellt werden, hieß es in bisher aber nicht offiziell bestätigten Medienberichten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen