Prozess gegen linken Anwalt: Viel Wirbel um ein Stück Plastik
Das Zeigen einer Signalgeber-Halterung erfordert keinen Waffenschein: Amtsgericht spricht Hamburger Strafverteidiger Andreas Beuth vom Vorwurf frei, gegen das Waffengesetz verstoßen zu haben.
HAMBURG taz | Amtsrichter Carsten Rühle bediente sich deutlicher Worte: "In rechtlicher Hinsicht stellt der Vorfall keine Straftat dar, weil der Gegenstand objektiv ungefährlich war." Der Angeklagte habe "in Wahrnehmung der grundrechtlich gesicherten Verteidigerrechte gehandelt". Was folgte, war ein Freispruch erster Klasse für den Hamburger Rechtsanwalt Andreas Beuth in einem Verfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz.
Im Juni vorigen Jahres verteidigte Beuth einen Mann, dem vorgeworfen wurde, einen Polizisten mit einer Signalrakete verletzt zu haben. Der Anwalt brachte eine Signalgeber-Halterung mit in den Gerichtssaal, um sie den als Zeugen aussagenden Polizeibeamten spontan vorzuhalten. Dabei handelte es sich um ein 14 Zentimeter langes Plastikteil, für sich genommen harmloser als ein Kugelschreiber. Erst zusammen mit einem entsprechenden Patronenteller sowie Zündplättchen versehen, ließe sich damit eine Leuchtpatrone abschießen. Nach zwei Verhandlungstagen ließ damals Staatsanwalt Henning Todt ohne Vorwarnung den Plastikhalter beschlagnahmen - Beuth besitze keinen "kleinen Waffenschein".
Richter Rühle nun sah darin mitnichten etwas Strafbares. "Der Gerichtsaal war ein erlaubnisfreier Raum, weil der Richter das genehmigt hat", sagte er. Zuvor hatte sich ein vermeintlicher Belastungs- als Entlastungszeuge entpuppt: Auch er habe im Verhalten des Angeklagten "kein strafbares Verhalten" gesehen, sagte der damalige Amtsrichter Johann Krieten, "sondern einen zulässigen Verteidiger-Vorhalt".
"Ich hoffe, dass dieses Verfahren an diesem Punkt ein Ende hat", sagte Rühle weiter. Indes hat die Anklagebehörde schon vor dem gestrigen Urteil angekündigt, das Verfahren bis zum Oberlandesgericht führen zu wollen Die weisungsbefugte Justizbehörde schweigt zu dieser Ankündigung: "Wir nehmen zu laufenden Verfahren keine Stellung", sagte Sprecher Sven Billhardt.
Der Prozess gegen Beuth hatte im Vorfeld in Strafverteidigerkreisen einen Sturm der Entrüstung ausgelöst: Von einem Racheakt gegen einen renommierten linken Anwalt war die Rede, gar von einem "Angriff auf die Verteidigerrechte" insgesamt. Beuth, so äußerten Kollegen, sei der Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft ein "Dorn im Auge".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene