Prozess gegen Rote-Khmer-Folterer: Späte Genugtuung für die Opfer
In Kambodscha laufen die Schlussplädoyers im Prozess gegen den Ex-Leiter des Tuol-Sleng-Foltergefängnisses Kaing Khek Iev alias Duch. Ihm droht jetzt lebenslange Haft.
BANGKOK taz | Die Anwälte der Opfer formulierten es noch einmal unmissverständlich: Der Angeklagte Kaing Khek Iev alias Duch sei ein überaus eilfertiger Erfüllungsgehilfe des Rote-Khmer-Terrorregimes gewesen. "Er war nicht nur stolz auf seine Aufgabe, er war auch überzeugt von der Parteilinie, Feinde zu identifizieren und ohne jedes Schuldgefühl zu vernichten", sagte Kong Pisey, einer der Anwälte der zivilen Nebenkläger am Montag. Deren Schlussplädoyers waren Auftakt zur letzten Runde im Verfahren gegen Duch - im Laufe der Woche werden sowohl die Staatsanwälte als auch der Angeklagte sowie dessen Verteidiger nochmals das Wort haben.
Duch war einst Leiter des berüchtigten Foltergefängnisses Tuol Sleng in Phnom Penh, in dem mindestens 15.000 Menschen gequält und ermordet worden waren. Er ist der erste von insgesamt fünf Exkadern der Roten Khmer, die sich wegen der zwischen 1975 und 1979 verübten Gräueltaten in Kambodscha juristisch verantworten müssen. Das UN-gestützte Tribunal wirft dem 67-Jährigen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Folter und Mord vor. Insgesamt treten in dem Prozess 93 Opfer des Rote-Khmer-Terrorregimes als Nebenkläger auf. Die Anklage fordert für Duch lebenslange Haft.
Das Tribunal gilt als "Test": Es ist der erste internationalisierte Gerichtshof mit mehrheitlich einheimischen Richtern und Anklägern. Trotz Beteiligung ausländischer Juristen blieben viele Kambodschaner misstrauisch, ob die Prozesse tatsächlich fair sein werden. Schon die Etablierung des Gerichts hatte sich jahrelang verzögert, weil die Regierung unter Premier Hun Sen bekundet hatte, dass sie nicht an einer juristischen Aufarbeitung interessiert sei. Zudem wurde zwei hochrangigen kambodschanischen Offiziellen des Tribunals Korruption vorgeworfen.
Für die Überlebenden des Terrorregimes bedeutet der Prozess eine späte Genugtuung. "Dies war erneut ein sehr signifikanter Tag für die Opfer, die mehr als 30 Jahre auf Gerechtigkeit warten mussten", so Reach Sambath, Sprecher des UN-gestützten Gerichtshofes zur taz. "Es ist das erste Mal in Kambodschas Geschichte, dass ein Exkader der Roten Khmer seine Verbrechen zugegeben und sich bei den Opfern entschuldigt hat." Das hatte Duch in der Tat getan - öffentlich zu Prozessbeginn im Frühjahr. Auch räumte er ein, in mindestens zwei Fällen persönlich gefoltert zu haben. Allerdings bestritt er, jemanden ermordet zu haben. Zugleich hatte er ausgesagt, damals nur Befehle befolgt zu haben - aus Angst um sein eigenes Leben. Genau das aber mag ihm die Gegenseite nicht abnehmen. Die Anwälte der Opfer argumentieren, Duch wolle damit seine Mitverantwortung für die Verbrechen herunterspielen.
Hingegen erklärte Duchs Verteidiger François Roux, sein Klient hoffe, dass das Gericht seine Schuldeingeständnisse und Entschuldigungen berücksichtigen werde. Anfang 2010 soll das Urteil fallen. Duch selbst will sich am Mittwoch zum letzten Mal vor dem Gericht äußern. "Die Kambodschaner warten auf diese letzten Worte", so Tribunal-Sprecher Reach Sambath. "Auch wird Duch sprechen, bevor seine Anwälte das tun, darum hat er extra gebeten."
Außer Duch müssen sich noch vier weitere Exkader der Roten Khmer vor Gericht verantworten. Diese aber beharren darauf, von den Verbrechen nichts gewusst zu haben. Dabei handelt es sich um den damaligen Chefideologen Nuon Chea, um den ehemaligen Staatschef Khieu Samphan, um Exaußenminister Ieng Sary sowie dessen Frau und einstige Sozialministerin Ieng Thirith. Khmer-Rouge-Anführer Pol Pot kann nicht mehr juristisch belangt werden. Er ist bereits 1998 verstorben.
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