Protestsänger in Äthiopien erschossen: Die Musik lebt weiter

Äthiopiens populärster Musiker Hachalu Hundessa wird erschossen, bei Protesten sterben Dutzende. Es entlädt sich der Frust der Oromo-Jugend.

Eine Person mit einem T-Shirt, auf dem ein Bild von Hachalu Hundessa gedruckt ist.

Gedenken an Hachalu Hundessa: In St. Paul, Minnesota, in den USA versammeln sich Menschen Foto: Stephen Maturen/getty images/afp

NAIROBI taz | Der Tod des immens populären Protestsängers Hachalu Hundessa hat die schlummernden Spannungen in Äthiopien angefacht. Der 34-jährige wurde Montagabend in der Hauptstadt Addis Abeba von Unbekannten in seinem Auto erschossen. Seitdem sind bei Explosionen und Demonstrationen in mehreren Städten mindestens 50 Menschen umgekommen. Die Polizei schoss scharf, mehr als 100 Menschen wurden verletzt und Dutzende verhaftet.

Hachalu war die musikalische Stimme der Oromo, die größte Volksgruppe im 110 Millionen Einwohner zählenden Äthiopien. „Er war das Gewissen der Oromo-Nation“, schrieb Tsedale Lemma, Chefredakteurin der Zeitung Addis Standard in sozialen Medien. Als 17-jähriger wurde der Sänger für fünf Jahre inhaftiert wegen Proteste gegen das damalige Regime von Premierminister Meles Zenawi.

Die Lieder von Hachalu handelten meist von der Unterdrückung seines Oromo-Volkes. „Warte nicht auf Hilfe von außerhalb, ein Traum der nicht Wirklichkeit wird. Stehe auf, sattle dein Pferd und kämpfe, du bist derjenige der nah am Palast ist.“ Solche Lieder wurden Kampflieder nicht nur für Oromo, sondern für alle Aktivisten während der blutig niedergeschlagenen Massenproteste zwischen 2015 und 2018. Die Proteste führten zur Machtübernahme durch den aktuellen Premierminister Abiy Ahmed, ein Oromo. Abiy hat Äthiopien Reformen beschert, zehntausende politische Gefangene kamen frei, politische Opposition wurde zugelassen und auch Freiheit der Meinungsäußerung. Dafür und für seinen Friedensschluss mit Eritrea bekam Abiy voriges Jahr den Friedensnobelpreis.

Doch die neuen Proteste machen sichtbar, dass Abiy inzwischen unter der Oromo-Jugend massiv an Rückhalt verliert. Der Premierminister drückte über Hachalus Tod auf Twitter sein Beileid aus: „Äthiopien hat ein wertvolles Leben verloren“. Der Sänger hatte schon vor einiger Zeit gemeldet, dass er mit dem Tod bedroht werde, aber nicht wisse, wer dahintersteckte. Die Polizei sagt, sie habe einige Verdächtigen festgenommen.

Junge Oromo kritisieren Abiy

Hachalu war auch unter Abiys regierungskritisch geblieben. Er sah sich weiterhin als Stimme der Oromo. Als die taz vor zwei Jahren mit ihm am Telefon sprach, um mit ihm ein Treffen zu vereinbaren, sagte er: „Ich möchte gern mit ausländischen Medien sprechen, aber wichtiger für mich ist, dass ich mein eigenes Volk erreiche.“

Am Donnerstag soll Hachalu in seinem Geburtsort Ambo beerdigt werden. Aber einige seiner Fans unter Führung des Oromo-Medienmagnaten haben versucht, den Leichentransport nach Ambo zu verhindern. Sie wollten, dass die Beerdigung in Addis Abeba stattfindet. Bei Auseinandersetzungen wurde Jawar verhaftet.

Das verschärft die Konfrontation weiter. Jawar, einst ein guter Freund von Abiy, ist mittlerweile einer seiner größten Gegner. Er und viele junge Oromo finden, dass Abiy zu wenig für seine eigene Ethnie tut. Bei einer Konfrontation zwischen Polizei und Jawar-Anhängern kamen voriges Jahr 78 Menschen ums Leben. Viele junge Oromo glauben nicht an ein multi-ethnisches Äthiopien und bevorzugen ihren eigenen Staat: Oromia.

Äthiopien ist in Bundesstaaten auf ethnischer Grundlage aufgeteilt. Jetzt, wo es mehr Freiheit gibt, fordern alle Ethnien und Regionen mehr Einfluss und Macht in der Zentralregierung. Der einst bejubelte Premierminister Abiy wird von allen Seiten kritisiert. Im Gegenzug greift er zu den gleichen undemokratischen Mitteln wie seine Vorgänger. So ist seit Dienstag in Äthiopien das Internet geschlossen. Freie Wahlen, die für August angesetzt waren, wurden bereits wegen Corona verschoben.

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