Proteste: Eine Handvoll Brot für die NPD
Sie werfen mit Gebäck und besetzen Gleise: Tausende haben in Hessen gegen den Aufmarsch von Rechtsextremisten protestiert.
FRANKFURT AM MAIN taz Frankfurt sei die internationalste Stadt Deutschlands, sagte Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) auf der zentralen Kundgebung des Römerbergbündnisses gegen den Aufmarsch der rechtsextremistischen NPD. In der Stadt mit Bürgern aus 145 Ländern der Erde gebe es "keinen Raum für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit". Und tatsächlich machten die Frankfurterinnen und Frankfurter an diesem Samstag dem guten Ruf ihrer Stadt alle Ehre: Die NPD stieß auf eine Wand der Ablehnung.
Europaweit hatte die NPD mobilisiert. Doch statt der geplanten 1.500 Volksgenossen kamen lediglich 500 Anhänger der Partei zur Kundgebung mit dem hessischen Landesvorsitzenden der Nationaldemokraten, Marcel Wöll, im Stadtteil Hausen. Gegen Wöll ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Volksverhetzung. Vielerorts stellten sich den NPDlern Antifaschisten und Anwohner in den Weg. Wöll wurde von einer Passantin mit einer Ladung aufgeweichtem Brot beworfen.
Schon auf den Bahnhöfen im Umland saßen viele Nazis fest, weil Gegendemonstranten die Gleise nach Frankfurt blockiert hatten. In der Stadt selbst wurden Bahnhöfe besetzt; kleine Brände ließen Trafostationen und Signalanlagen verschmoren. Es entstand ein Sachschaden von 250.000 Euro.
Im Hauptbahnhof mussten 300 Nazis stundenlang in ihrem "Sonderzug" ausharren, der nicht zum blockierten Westbahnhof weiterfahren konnte. Dort räumt die Polizei rund 200 friedliche Demonstranten weg. Einige Beamte trugen Buttons mit Parolen gegen Nazis. Und der Polizeipräsident von Wiesbaden, dessen Beamten neben ein paar tausend anderen aus dem ganzen Bundesgebiet im Einsatz waren, bekundet vor laufenden Fernsehkameras seine "Abscheu" vor den Neonazis. Dennoch gab es vereinzelt Rangeleien; zwei Beamte, so die Polizei, seien verletzt worden. Es kam zu vorübergehenden Festnahmen. Mit gut zwei Stunden Verspätung liefen die Nazis dann am Nachmittag ganz ohne Marschordnung los. Laut rechte Parolen skandierte eigentlich nur der noch relativ geschlossen auftretende schwarze Block der Braunen, der sich optisch kaum mehr vom schwarzen Block in den Reihen der Antifaschisten unterscheidet: schwarze Kapuzenjacken, schwarze Sonnenbrillen, schwarze Kappen. Nach einer einsamen Kundgebung vor der Neuen Börse war dann Schluss. Der von der Polizei gedeckte Rückzug der Nazis verlief ganz ohne Zwischenfälle. Im Hauptbahnhof allerdings gab es "Abschiedsgeschenke": Den Neonazis flogen Flaschen hinterher.
Dabei hatten mehrere Medien im Vorfeld der diversen Demonstrationen bürgerkriegsähnliche Zustände nahezu herbeigeschrieben. Die FAZ forderte gar die vorübergehende Inhaftierung des Vorsitzenden der Anti-Nazi-Koordination, eines Pfarrers, der zu Blockaden aufgerufen hatte. Dann aber blieb es fast überall friedlich. In Frankfurt ist eben kein Platz für Engstirnigkeit und Dummheit, so Oberbürgermeisterin Roth.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier