Proteste in Syrien: Truppen beschiessen Altstadt von Daraa
Trotz der Reformversprechen gehen Polizei und Militär mit unverminderter Härte gegen die Proteste vor. Seit ihrem Beginn sollen 545 Zivilisten getötet worden sein, sagen Menschenrechtler.
DAMASKUS dapd/dpa/taz | Die syrischen Streitkräfte haben am Sonntag nach Augenzeugenberichten ein Altstadtviertel in Daraa mit Granaten beschossen. Panzer der Regierungstruppen hätten das altrömische Viertel unter Beschuss genommen, sagte ein Anwohner, der am Stadtrand Daraas lebt.
Die Bewohner könnten ihre Häusern nicht verlassen. In den letzten Tagen hätten sie einander jedoch mit "Gott ist groß"-Rufen Mut gemacht, sagte der Augenzeuge, der aus Angst seinen Namen nicht nennen wollte. Zuvor hatten Bewohner berichtet, dass die Regierungstruppen ihre Präsenz in der abgeriegelten Stadt weiter erhöhten. Am frühen Sonntagmorgen seien Panzerwagen und mit Soldaten besetzte Busse in Daraa eingerollt.
Am Wochenende hatte die Regierung in Damaskus einen "umfassenden Plan für Reformen" angekündigt. Dabei solle es in den kommenden Wochen ebenso um politische, juristische und wirtschaftliche Reformen gehen wie um Änderungen im Sicherheitsapparat, teilte Ministerpräsident Adel Safar am Samstag mit. Noch kurz zuvor war das Regime von Präsident Baschar al-Assad brutal gegen die Opposition vorgegangen. Allein am Freitag sollen 70 Demonstranten, die für mehr Demokratie und gegen Assad protestiert hatten, getötet worden sein. Die Organisation syrischer Menschenrechtsbeobachter sprach von insgesamt 545 getöteten Zivilisten und 86 Toten auf Seiten der Sicherheitskräfte seit dem Protestbeginn.
Zehntausende Syrer hatten bereits am Freitag die Drohungen der Regierung in den Wind geschlagen und erneut für demokratische Reformen demonstriert, so etwa in der Hauptstadt Damaskus, in Latakia, Kamischli, Hama und Homs. Vielerorts kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften. Allein in Daraa sollen nach Angaben einer syrischen Menschenrechtsgruppe am Freitag 33 Menschen getötet worden sein. Auch sieben Polizisten und Soldaten sollen bei den Unruhen ums Leben gekommen sein.
Wegen "fortgesetzter Menschenrechtsverletzungen" haben die USA Sanktionen gegen das Assad-Regime verhängt. Präsident Barack Obama unterzeichnete am Freitag einen Erlass, der Mitgliedern der Führungsriege um Assad Zugriff auf etwaige Vermögen in den USA verwehrt. Außerdem dürfen US-Bürger keine Geschäfte mit ihnen machen. GB
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