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Proteste in JemenAbenddämmerung für das Regime

Jemens Präsident Ali Abdullah Saleh soll Gespräche mit der Opposition über seinen Rücktritt aufgenommen haben. Zu dieser gehört nun auch ein hoher Militär, der Nachfolger werden könnte.

Für alle Fälle: Ein Gegner von Präsident Saleh trägt während einer Demo am Montag in Jemens Hauptstadt Sanaa eine Gasmake. Bild: reuters

SANAA dapd | Der durch wochenlange Proteste unter Druck geratene jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh hat am Montag die Unterstützung von drei Kommandeuren des Heeres verloren und angeblich Gespräche mit der Opposition über einen Rücktritt aufgenommen. Unter den Überläufern ist der Befehlshaber der Ersten Panzerdivision des Heeres, Generalmajor Ali Mohsen al Ahmar, seit langem ein enger Vertrauter Salehs. In Sanaa fuhren Panzer einer von Salehs Sohn angeführten Eliteeinheit auf, auch Al Ahmar ließ Panzer auffahren.

Ein Oppositionsführer erklärte, es sei Kontakt zu Saleh aufgenommen worden, um einen friedlichen Ausweg aus der Krise zu finden. Eine Option, über die diskutiert werde, sei der Rücktritt des Staatschefs. Die Macht könnte demnach vorübergehend von einem Militärrat übernommen werden, der den Jemen bis zu Präsidentschafts- und Parlamentswahlen führen könnte. Als mutmaßlichen Zeitrahmen für einen Durchbruch bei den Gesprächen nannte der Gewährsmann die Frist von 48 Stunden.

In den Straßen der Hauptstadt Sanaa wurden Panzer stationiert, einige davon auf dem zentralen Platz, auf dem Demonstranten ausharren, die den Rücktritt Salehs fordern. Mindestens ein Dutzend Panzer und Panzerfahrzeuge der Republikanischen Garde - einer von Salehs Sohn angeführten Eliteeinheit - fuhren vor dem Präsidentenpalast auf, wie Augenzeugen berichteten. Der übergelaufene Generalmajor Al Ahmar entsandte Panzer zum Gebäude des Staatsfernsehens, der Zentralbank und dem Verteidigungsministerium.

Überläufer gehören Salehs Stamm an

Verteidigungsminister Mohammed Nasser Ahmed erklärte, die Streitkräfte stünden weiterhin loyal zu Saleh. Mehrere regionale Fernsehsender berichteten dagegen, dass Dutzende Kommandeure der Streitkräfte und Politiker auf die Seite der Opposition gewechselt hätten. Außerdem schlossen sich Mitglieder von Salehs eigenem Stamm und mehrere religiöse Führer den Forderungen nach einem Rücktritt des Präsidenten an.

Auch die drei übergelaufenen Kommandeure gehören Salehs Haschid-Stamm an. Stammeschef Sadek al Ahmar erklärte, er wolle sich selbst der Opposition anschließen. Auch die jemenitischen Botschafter für Jordanien, Syrien und der stellvertretende Parlamentspräsident kündigten am Montag an, die Opposition zu unterstützen.

Saleh hatte inmitten der immer lautender werdenden Rücktrittsforderungen am Sonntag sein gesamtes Kabinett entlassen. Am Freitag hatten Scharfschützen das Feuer auf Tausende Demonstranten eröffnet und mehr als 40 Menschen getötet.

Saleh entsendet Außenminister nach Saudi-Arabien

Der übergelaufene Generalmajor al Ahmar sagte dem arabischen Fernsehsender Al Dschasira, das blutige Vorgehen der Sicherheitskräfte habe ihn dazu gebracht, die Opposition zu unterstützen. "Die Forderungen der Demonstranten sind die Forderungen des jemenitischen Volks", sagte er. Ein ranghoher Führer des Haschid-Stamms sagte, der Stamm werde sich hinter al Ahmar als möglichen Ersatz für Präsident Saleh stellen.

Der Staatschef entsandte unterdessen seinen Außenminister nach Saudi-Arabien, um dem dortigen König Abdullah eine Botschaft zu überbringen. Abdullah hatte Saleh in der Vergangenheit immer wieder den Rücken gestärkt.

Bei den seit einem Monat herrschenden Unruhen im Jemen sind bislang rund 100 Menschen ums Leben gekommen. Die Protestbewegung fordert ein Ende der Herrschaft Salehs, der das Land seit mehr als 30 Jahren regiert.

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