Proteste in Armenien: Geiselnahme in Jerewan beendet
Zwei Wochen hielten Bewaffnete eine Polizeistation besetzt, zwei Menschen starben. Nun gaben sie auf. Behörden melden 20 Festnahmen.
Zuvor hatte es zwei Wochen lang schwere Zusammenstöße zwischen Polizeikräften und Demonstranten gegeben. Die Bilanz: zwei Tote, offiziellen Angaben zufolge 75 zum Teil schwer Verletzte und 165 Festnahmen.
Am 17. Juli hatten 20 bewaffnete Anhänger des inhaftierten Oppositionsführers Jirair Sefiljan eine Polizeistation im Bezirk Sari Tagh gestürmt und mehrere Geiseln genommen. Sie forderten die Freilassung von Sefiljan und anderer politischer Gefangener. Auch Staatspräsident Serj Sargsjan sollte seinen Posten räumen und die Regierung ausgewechselt werden.
„Nur durch eine bewaffnete Rebellion ist es möglich, Änderungen in Armenien erreichen. Alle demokratischen Mittel, die wir bislang angewandt haben, haben keinen Erfolg gehabt“, erklärten Mitglieder der bewaffneten Gruppe.
Der 49-jährige Sefiljan ist seit vergangenem Juni in Haft. Ihm wird vorgeworfen, die Besetzung mehrerer Regierungsgebäude und Telekommunikationseinrichtungen geplant zu haben. Er war bereits 2006 festgenommen worden, nachdem er zu einem Umsturz aufgerufen hatte.
Errichtung eines Rechtsstaates
Selfiljan, der in den 90er Jahren am Krieg um die in Aserbaidschan gelegenen armenische Enklave Berg-Karabach teilgenommen hatten, ist einer der Führer der oppositionellen Bewegung „Neues Armenien“. Deren Ziel ist es, einen Rechtsstaat in Armenien zu errichten.
Mitte vergangener Woche hatten die Geiselnehmer zwei Ärzte und zwei Krankenschwestern in ihre Gewalt gebracht, die Verletzte in dem besetzten Polizeigebäude medizinische behandeln wollten. Sowohl die Ärzte als auch die Krankenschwestern sind wieder frei.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag demonstrierten in der Umgebung der Polizeistation rund 5.000 Regierungsgegner, um die Forderungen der Geiselnehmer zu unterstützen. Die Polizei ging mit Schlagstöcken und Rauchbomben gegen die Menge vor. Parallel dazu griffen Polizisten, davon viele in Zivil, Privathäuser mit Granaten an und schlugen wahllos die Bevölkerung. Auch Kinder und Frauen wurden massiv bedroht.
Nikol Paschinjan war einer der wenigen Abgeordneten, der die Protestbewegung unterstützte. Er versuchte seit dem Beginn des Aufruhrs, zwischen den Demonstranten und Polizisten zu vermitteln.
Am Sonntag wandte sich Oppositionspolitiker Jirair Sefiljan an die armenische Diaspora. „Wir erleben einen historischen Moment“, sagte er. „Wir hoffen auf eure Anwesenheit auf den Straßen Jerewans“.
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