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Proteste gegen neoliberalen Kurs

Panamas Regierung verhandelt über Massenentlassungen mit Bananenkonzern Chiquita. Nicht dabei sind die Gewerkschaften

Frauendemonstrieren für staatlicheVorsorge, während Bananenkonzern Chiquita Tausendeentlässt. Ende Mai in Bocas del Toro Foto: Enea Lebrun/reuters

Von Knut Henkel

Francisco Smith steht unter Hausarrest. Anfang Juli ist der Generalsekretär der Gewerkschaft der Bananenarbeiter Sitraibana zwar aus der Haft entlassen worden, aber die Ermittlungen wegen illegaler Straßenblockaden und Aufruf zum Widerstand laufen weiter. Folgerichtig sind weder er noch ein anderer Gewerkschafter bei den Verhandlungen mit dem Fruchtkonzern Chiquita dabei, die die Regierung von Präsident José Raúl Mulino seit Montag in Panama-Stadt führt. Die Regierung will Chiquita zur Rückkehr nach Panama bewegen, wo das Unternehmen Ende Mai alle Aktivitäten eingestellt und die knapp 7.000 Angestellten entlassen hatte.

Auslöser für den Abgang von Chiquita waren die Streiks der Ernte- und Ver­pa­ckungs­ar­bei­te­r:in­nen in der Bananenprovinz Bocas del Toro gegen das Gesetz 462. „Das reformiert das Rentensystem und beschneidet von uns ausgehandelte Kompromisse für die Arbeiter und Arbeiterinnen im Bananensektor“, sagte Smith der taz. Für ihn war der Streik legitim. Er hatte Chiquita vorab informiert, klargestellt, dass sich der Streik nicht gegen das Unternehmen, sondern gegen die Regierung in Panama City richte. Doch die Gerichte erklärten den Streik Mitte Mai für illegal, sodass Chiquita von der Möglichkeit Gebrauch machte, die Belegschaft aller Plantagen in der Region zu entlassen.

Die Regierung von des erzkonservativen und neoliberal agierenden Präsidenten José Raúl Mulino wird dem Fruchtmulti entgegenkommen – „zulasten der Arbeiter und Arbeiterinnen“, mutmaßt Maribel Gordón. Die Professorin für Ökonomie wollte 2024 Präsidentin werden. Gewählt wurde dann aber Mulino mit 34 Prozent der Stimmen. Schon damals hatte sie vor der neoliberalen Agenda Mulinos gewarnt, die der nun rigoros umsetzt. Dazu zählt es, „Panama aus dem Würgegriff der Gewerkschaften“ zu befreien, wie Mulino mehrfach öffentlich betonte.

Im Visier des Präsidenten, der vom libertären Bankier Roberto Brenes beraten wird, steht dabei die größte Gewerkschaft des Landes: Suntracs. Die vertritt die Interessen der Beschäftigten in der Bauwirtschaft. Die gesamte Suntracs-Führungsspitze befindet sich entweder im Gefängnis oder auf der Flucht. Darunter auch Generalsekretär Saúl Méndez, der sich am 21. Mai in die bolivianische Botschaft geflüchtet hat.

„Das repressive Vorgehen gegen leitende Gewerkschaften verletzt internationale Menschenrechts- und Arbeitsrechtsabkommen“, kritisiert Gordón. Sie hofft, dass die Menschenrechtskommission der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) intervenieren wird. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) der Vereinten Nationen hat Panama bereits auf die Short List der 24 Staaten gesetzt, die massiv gewerkschaftsfeindlich vorgehen.

Reagiert hat die Regierung Mulino darauf nicht. Mehrfach wurde ein Dialog mit der Zivilgesellschaft genauso ausgeschlossen wie die Rücknahme oder die Modifizierung des Pensionsgesetzes, so William Hughes, Professor an der staatlichen Universidad de Panamá. „Vieles deutet darauf hin, dass die Regierung die Arbeitsrechte modifizieren könnte und die anhaltenden Proteste mit Polizeigewalt ersticken will.“ Vier offiziell anerkannte Tote hat es allein in der Provinz Bocas del Toro gegeben, doch dort werden noch mehrere Menschen vermisst, sodass sich die Zahl der Toten erhöhen könnte.

Hughes attestiert der Regierung einen Etappenerfolg, denn seit Montag unterrichten die Leh­re­r:in­nen wieder in den Schulen des Landes. Allerdings geht dieser Erfolg auf die Verhandlungen einer Kommission des Parlaments zurück, die den Pädagog:innen, die ebenfalls gegen das Rentengesetz 462 streikten, entgegengekommen ist. „Inwieweit die Regierung Mulino an diese Vereinbarungen der Parlamentarier gebunden ist, muss sich allerdings noch zeigen“, so Hughes. Er weist darauf hin, dass im Streik besonders engagierte Lehrer:innen weiterhin Kündigungen erhalten.

Ohnehin lässt das rigide Vorgehen der Regierung Mulino den Konflikt weiter schwelen. Der dreht sich auch um die geplante Wiedereröffnung einer Mega-Kupfermine, den geplanten Bau eines Staubeckens im Süden des Landes zur Versorgung des Panamakanals mit zusätzlichem Wasser sowie um die eventuelle Wiedereröffnung von US-Militärbasen am Panamakanal. „Diese vier Konflikte sind dafür verantwortlich, dass Panama die massivsten sozialen Proteste seit 30 Jahren erlebt“, erklärt Maribel Gordón. Sie ist sich sicher, dass sie anhalten werden.

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