piwik no script img

Proteste gegen ZirkusWildzirkus bringt Tierschützer auf

Der Circus Voyage, der gerade in Norddeutschland tourt, rühmt sich „der größten tierischen Circus-Show mit 80 Tieren“. Tierschützer haben zu Protesten aufgerufen.

Eine Frage der Perspektive: die Tierhaltung beim Circus Voyage Foto: Peter Hübner (l.), Circus Voyage

BREMEN taz | Wildtierhaltung im Zirkus ist ein umkämpftes Thema: Im Bundestag ist gerade erst der Antrag der Bremer Abgeordneten Birgit Menz (Die Linke), diese zu verbieten, mit den Stimmen von CDU und SPD zurückgewiesen worden – „aus Gründen der Koalitionsräson“, wie sie sagt. „Ich gehe davon aus, dass die Debatte in der kommenden Legislatur wieder aufs Tapet kommt“. Schließlich ist sie in der Zivilgesellschaft sehr virulent, seit Jahren schon. „Man kann den Leuten nur dankbar sein, die den Protest friedlich auf die Straße bringen“, findet Menz.

Aktuell tourt der Circus Voyage durch Norddeutschland. Heute beginnt er in Bremen sein Gastspiel. Dabei ist er im Visier von Tierschutz- und TierrechtsaktivistInnen: Auf der letzten Station, Oldenburg, hatte am 22. Juli eine Mahnwache vorm Zelt stattgefunden. Und Bremer AktivistInnen hatten das Unternehmen dort in den letzten Tagen regelrecht observiert.

Mit Grund. Einerseits soll es auf der Tour mehrfach zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen Zirkusfans und -gegnern gekommen sein. Der Berliner Tagesspiegel berichtet sogar, dass der Weddinger Amtstierarzt und die Polizei durch Hundebisse am Kontrollbesuch gehindert worden seien – was das Unternehmen bestreitet.

Vor allem aber vermarktet sich in Deutschland kaum ein Zirkus noch so offensiv über seine Exotenbestände: „Die größte tierische Circus-Show mit mehr als 80 Tieren“, steht auf den Plakaten. In einer Art Vorwegverteidigung, schließlich weiß man ja, dass die Transporte als Stress für die Tiere gelten, rühmt man per Pressemitteilung die „entspannte[n] Tiere an der Ermlandstraße in Bremen-Blumenthal“, wo man gerade eingetroffen ist. Und schiebt hinterher, „auf Grund großer Nachfrage das Gastspiel verlängert“ zu haben, noch bevor die Zelte stehen. Es habe „400 online-Reservierungen“ gegeben, erklärt Tourneeleiter Sascha Grodotzki.

In Teilen der Bevölkerung ist der Empfang aber weniger herzlich: So rufen für Samstagnachmittag das neue Bündnis T-Zelle, die Kleinstpartei Ethia für Tier- und Menschenrechte, der Tierschutzbund und Animals United zur Protestkundgebung auf. Demo-Anmelder Peter Hübner wird heute zudem eine Strafanzeige stellen wegen des Verdachts auf Verstöße gegen das Tierschutzgesetz beim Transport der Tiere.

„Die ist fertig und geht am Donnerstagmorgen raus“, sagt er. Er wartet nur noch auf einen Beschluss des Tierschutzvereins: Der entscheidet Mittwochabend, ob er sich der Strafanzeige anschließt.

„Die Tiere waren nur kurz auf dem Fahrzeug“, sagt Grodotzki zur Fahrt von Oldenburg nach Bremen. „Etwa zwei, vielleicht zweieinhalb Stunden nach der Ankunft“ hätten sie ihre Behältnisse verlassen können.

Hübner widerspricht: Er hat mit anderen den Umzug beobachtet und per Video dokumentiert. Sie kommen auf rund zwölf Käfigstunden: Schon um 18.30 Uhr seien die Tiere in Oldenburg eingesperrt gewesen, sagt er. Noch am Morgen um 7 Uhr seien in Bremen „keine Gatter aufgebaut“ gewesen.

Der Transport ist der neuralgische Punkt. Grodotzki bestreitet, dass die Fahrerei überhaupt Stress für die Tiere bedeutet. Tatsächlich hat der Freiburger Ethologe Immanuel Birmelin durch Hormon-Messungen von Tigern in Reiseboxen nachgewiesen, dass deren Cortisol-Spiegel nicht zwangsläufig infolge einer Tournee ansteigt.

Verallgemeinerbar ist das aber nicht. Für die EU hat ein Wissenschaftlerpanel 2004 festgehalten, dass viele Stressfaktoren bei Tiertransporten auftreten und „in großem Maße zum schlechten Zustand der transportierten Tiere“ beitragen würden: Daher sind deren Reduktion und engmaschige Kontrollen vorgeschrieben.

Das aber klappt nicht immer: So war die Bremer Polizei Hinweisen darauf, dass die Giraffen in Containern transportiert wurden, die zu niedrig zum Stehen seien, nicht nachgegangen: „Die Kontrolle, um die wir gebeten hatten, hat nicht stattgefunden“, bedauert Insa Warms von den Grünen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!