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Proteste gegen FluglärmDer glückliche Flughafengegner

Jahrelang hat Johannes Hauenstein gegen den Fluglärm gekämpft – solange er selbst betroffen war. Was anderswo passiert, ist ihm egal. Und dazu steht er auch.

Protest gegen den Schönefelder Flughafen: Johannes Hauenstein ist nicht dabei. Bild: dpa

BERLIN taz | Johannes Hauenstein sitzt auf der Terrasse seines Hauses in Berlin und schaut in seinen Garten. Ein liebevoll gestaltetes Wegesystem mit kleinen Beeten, Brücken, Ästen und Wasserwegen. Über ihm donnert ein Flugzeug vorbei, so tief, dass man dem Piloten fast zuwinken kann. Man hört kaum sein eigenes Wort. Mehr als 20 Jahre lang hat Hauenstein mit einer Bürgerinitiative gegen den Fluglärm gekämpft.

Seit ein paar Monaten ist Fluglärm wieder ein größeres Thema in Berlin, wöchentlich treffen sich Bürger zu Demonstrationen. Aber Johannes Hauenstein ist nicht mehr dabei. Denn diesmal geht es nicht mehr gegen den Fluglärm im Norden Berlins, wo er wohnt und wo der Flughafen Tegel liegt. Tegel wird nämlich in zwei Monaten geschlossen.

Jetzt protestieren die Bürger im Süden gegen den Fluglärm, am neu ausgebauten Großflughafen in Schönefeld, der alle Flüge aus Tegel aufnehmen wird. Hauenstein demonstriert nicht mit, weil ihn der Fluglärm dort nicht mehr betrifft: „Bald ist hier alles vorbei, es ist nur noch eine Frage der Zeit.“ Damit ist er sozusagen ein Mitglied der „Nimby“-Bewegung, der wohl größten Bewegung der Welt.

„Nimby“ ist die Abkürzung für den englischen Begriff „not in my backyard“ – nicht in meinem Hinterhof. Auf Deutsch nennt man es das St.-Florians-Prinzip, nach dem heiligen Schutzpatron, den man um Hilfe gegen Feuer und Dürre anruft: Heiliger Sankt Florian, verschon mein Haus, zünd andere an! Die Nord-Berliner sind jetzt den Fluglärm los und was in und um Schönefeld passiert, ist ihnen weitgehend egal.

Hauenstein reagiert auf den Vorwurf entspannt: „Das macht doch jeder! Es ist gemein, mit dem St.-Florians-Prinzip anzukommen, weil es ein politisches Totschlagargument ist.“ Auch die Anwohner in der Einflugschneise von Schönefeld seien erst gegen den Fluglärm, seit er sie betreffe. Bei der Standortfrage gehe es um das kleinere Übel: Beim neuen Großflughafen am Stadtrand sind je nach Windrichtung mindestens 45.000 Menschen vom Fluglärm betroffen, beim alten Stadtflughafen Tegel waren es an die 380.000.

Bild: taz

Wie es um die Flughafenproteste in Frankfurt und Leipzig steht, lesen Sie in der sonntaz vom 31. März/1. April 2012. Das alles gibt es direkt am eKiosk, am Kiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Vom Hauptquartier zur Ferienwohnung

Die Schönefelder selbst sind auch nicht frei vom St.-Florian-Prinzip. Sie schlugen vor, den Großflughafen 40 Kilometer von Berlin entfernt bei Sperenberg zu bauen. Auch da wären 2.000 Menschen betroffen – aber eben andere Menschen.

Hauensteins Kampf gegen den Fluglärm ist jedenfalls zu Ende. Das ehemalige Hauptquartier seiner Bürgerinitiative – die Garage der Hauensteins – ist jetzt eine Mischung aus Ferienwohnung und Gästezimmer. Und die ein bis zwei Stunden, die er täglich mit seinem Kampf gegen den Fluglärm verbrachte, bleiben heute für Familie und Freizeit. Bis 1997 der Bau des Großflughafens in Schönefeld endgültig beschlossen wurde, war er in losem Kontakt mit der dortigen Bürgerinitiative gegen Fluglärm, sagt er, „aber danach gab es einfach keine Gemeinsamkeiten mehr“.

Bei den Schönefeldern erinnert man sich aber nur an ein frostiges Desinteresse. Die Konzentration des Flugverkehrs auf einen Großflughafen am Stadtrand war eine politische Entscheidung, die Hauenstein und seine Initiative nicht zu verantworten hat. Aber dass man sich untereinander nichts schenkt, ist verständlich, schließlich bedeutete die Entscheidung auch mehr Fluglärm für Schönefeld. Allerdings argumentierte Hauensteins Bürgerinitiative zuletzt nicht mehr nur mit Fluglärm, sondern auch mit einer fehlenden Sicherheitszone für Notlandungen rund um den Stadtflughafen Tegel.

Das „Not in my backyard“-Phänomen hat etwas tief Menschliches. Das weiß jeder, der schon mal darum gekämpft hat, dass ein Drucker, Kopierer, oder sonstige laute Maschinerie aus seinem Arbeitszimmer rauskommt. Hauptsache, das Ding verschwindet aus dem eigenen Büro – wo es dann steht und wen es stört, ist eigentlich egal. Und menschliche Schwächen bergen immer Potenzial, sich darüber lustig zu machen.

In Interviews der amerikanischen Medien wird übereifrigen Initiativen ironisch vorgeworfen, sie seien nicht nur von der „Nimby“-Bewegung, sondern völlig „Banana“: Eine Abkürzung für „Build absolutely nothing anywhere near anyone“ – baut gar nichts irgendwo in der Nähe von irgendwem. Noch mal gesteigert ist der Begriff „Nope“: „not on this planet“ – nicht auf diesem Planeten. Das wäre dann wohl die radikalste Forderung.

Der kleinste gemeinsame Nenner

Zurück in den Garten von Hauenstein: Der ehemalige Aktivist rät den Bürgerinitiativen rund um Schönefeld vor allem zu Zusammenhalt. Im Moment konzentrieren sie sich auf unterschiedliche Forderungen. Ein Nachtflugverbot sei zwar der kleinste gemeinsame Nenner, aber seiner Ansicht nach rechtlich nicht durchzusetzen. „In erster Linie sollte auch die Flughafengesellschaft ein Interesse daran haben, den Streit runterzukühlen. Warum fordert man nicht, dass der Flughafenbetreiber den verärgerten Menschen ihre Grundstücke zu fairen Preisen abnimmt?“

Die Grundstücke könnten ja dann an Flughafen-Mitarbeiter gehen; die wüssten dann zumindest, auf was sie sich einlassen. Ob er sich selbst auf so einen Handel eingelassen hätte? „Wenn ich auf dem Land wohnen würde, wahrscheinlich ja. Hier in der Stadt aber nicht. Klar, hier gibt es auch laute Straßen und die Tram donnert an der Haustür vorbei – Berlin ist eine Großstadt, ein wenig Lärm ist ja in Ordnung. Mit einer ’Unser Dorf muss schöner werden‘-Mentalität kann man da nicht rangehen. Aber ein Flughafen gehört hier einfach nicht hin.“

Hauenstein hat jahrelang gegen seinen Fluglärm gekämpft und letztendlich bekommen, was er wollte. Ab Juni ist endlich Ruhe in Berlins Norden. Genauso vergnügt sitzen wahrscheinlich auch die Sperenberger in ihren brandenburgischen Vorgärten. Die sind von den Flughafenplänen verschont geblieben und damit genauso ein Teil der Nimby-Bewegung. Die finden sicherlich auch, dass Berlin-Schönefeld genau der richtige Standort ist und irgendwo müssen die ganzen lauten Flieger ja starten und landen. Aber: not in my backyard.

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5 Kommentare

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  • PF
    pro flight

    an die demonstranten: der artikel ist richtig so! alle welt will reisen und fliegen, die welt sehen aber keiner ist bereit den fluglaerm in kauf zu nehmen! das ist doch das duemmste ueberhaupt! global acting while local thinkig, das ist einfach unsinn! seht es ein, wir leben im 21. jahrhundert und da gehoert fortschritt dazu! ihr seid ganz schoene egoisten, wenn ihr wollt, dass wegen euren kleinen befindlichkeiten alle anderen auf die vorteile fuers reisen durch den neuen flughafen verzichten sollen! hunderte gegen millionen! denkt mal drueber nach! ich hoffe die bauen den flughafen noch groesser!

  • J
    John

    Hallo,

    ich verstehe nicht, warum die TAZ solche Artikel schreibt.

    Zieht doch am besten noch über die anderen Fluglärmbetroffenen her, z.B. in Halle/Leipzig.

    Vielleicht noch kleine witzige Karrikaturen, so kleine Männlein mit Schlafmützen auf und darüber eine laute Frachtmaschine malen, nachts. Und vielleicht noch ein kleines Kind daneben.

     

    Lustig nicht?

  • T
    taz...

    Super Taz, dass nenne ich mal Journalismus. Die Bild macht das aber besser, Leute.

     

    Nimby ist ein Begriff den die Schmutzagenturen geprägt haben um geschädigte Menschen zu verunglimpfen.

     

    Ich empfehle den Autoren sich das Grundgesetz mal anzusehen und notfalls eine Erläuterung zu den Paragrafen die körperliche Unversehrtheit, Enteignung und Menschenwürde dazuzukaufen.

     

    Ihr habt schon eine Reihe derartiger Artikel gebracht. Das war es zumindestens für mich. Ihr werden nicht mehr gekauft. Wahrscheinlich habt ihr ja neuen Kunden am Flughafen.

  • BO
    Beate Obermann

    Die Botschaft des Artikels, nämlich Fluglärmgegner seinen Leute, die nur etwas gegen den Flugverkehr haben, wenn sie selber von den Nachteilen betroffen sind, ist genauso plump wie die Unterstellungen der Fraport Für den Frankfurter Betreiber hat eine zwielichtige PR-Agentur als Antwort auf Fluglärmproteste am Frankfurter Flughafen eine Kampagne namens "JA zu FRA" geründet, die mit viel Medienaufwand Ängste zu verbreiten sucht, alle Ausbaukritiker führten die Totalvernichtung des Flughafens im Schilde.

    Die Tätigkeit eines Aktivisten ist wirklich ziemlich zeitaufwendig. Auch die im Artikel erwähnte Bürgerinitiative hat sich mit generellen Fragen zum Luftverkehr auseinandergesetzt: wieso werden die Alternativen zum Flugverkehr so stiefmütterlich behandelt , zum Beispiel Mehrwertbesteuerung auf Bahntickets gegenüber steuerfreiem Kerosin? Wieso können an vergleichbar großen Flughäfen Nachtflugverbote ohne weiteres durchgesetzt werden (Zürich)? Wieso können in Belgien für einzelne laute Anflüge Strafen verhängt werden, die fünfstellig Beträge erreichen, und in Deutschland bleibt es bei peanuts?

    Es ist aufreibend für einen Aktivisten, sich ständig zu informieren und zu vernetzen, insbesondere wenn man weiß, gegen wieviel Werbe - und Lobbyarbeit der Luftverkehrsbranche man ankämpfen muss. Wie die taz diesen Kräften in ihrem Artikel in die Hände spielt ist bedauerlich. Die Krönung wäre nur noch ein Hinweis auf eine mögliche Flugreise in den Urlaub gewesen, als weiteren Versuch Fluglärmprotestler zu diffamieren. Dies versucht man jedenfalls in Frankfurt: Selbst wenn alle Bewohner des Rhein-Main-Gebiets jährlich mehrmals fliegen würden, könnte man immer noch die Hälfte aller Flugbewegungen streichen. Bei den gegenwärtigen Projekten von Flughafenausbau in Deutschland spielt der örtliche Bedarf, d.h. Flughafen als Infrastruktur für die Anwohner eigentlich kaum eine Rolle. Interessant sind für die Betreiber vor allem die internationalen Umsteiger. Na und internationale Umstreigedrehkreuze und Luftfrachtzentrum können auch ins Nirgendwo gebaut werden, wie der Hub mit 6 Bahnen in der arabischen Wüste zeigt. Der innerdeutsche und internationale Flughafenausbauwettbewerb wird zwangsläufig immer härter werden und auf dem Rücken der Anwohner ausgetragen. Deshalb: AUSSTIEG aus dem Flughafenausbau JETZT.

  • RR
    Robert R

    Nope steht wohl eher für "Not on planet earth" - Nicht auf dem Planeten Erde.