Protestcamp gegen Abschiebungen: Trommeln gegen Terminal 5

Das Camp gegen Abschiebungen am BER ist ein voller Erfolg. Zum Abschluss fordern 700 Menschen auf einer Demonstration ein Ende aller Grenzkontrollen.

Menschen auf einer Demonstration

Es war laut auf der Demo gegen Abschiebungen Foto: Florian Boillot

BERLIN taz | Ein Redner wird besonders deutlich: „Diese verdammte Abschiebung bricht deine Seele“, sagt er. Denn: „Viele Betroffene fallen nach so einer traumatisierenden Erfahrung in die Perspektivlosigkeit.“ Mit einer lautstarken Demo protestierten am Montagnachmittag in Schönefeld rund 700 Menschen gegen die Gewalt in einem System von Grenzkontrollen und Abschiebungen. „Denkt ihr denn wirklich, wir kommen alle nach Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern, wenn Grenzkontrollen wegfallen?“, sagt der Mann, der wie alle Red­ne­r*in­nen selbst Geflüchteter oder von Rassismus Betroffener ist – und erntet dafür lautes Gelächter.

Die Demo ist da gerade an einem besonderen Grundstück angekommen. Hier, in Sichtweite des Flughafens BER, soll ein privater Investor im Auftrag Brandenburgs ein Abschiebezen­trum bauen. Offiziell heißt das geplante Gebäude „Einreise- und Ausreisezentrum“. Die Initiative „Abschiebezentrum BER verhindern“ hatte seit Donnerstag mit einem Protestcamp dagegen mobil gemacht.

An drei weiteren Stationen weisen Red­ne­r*in­nen auf schon bestehende Abschiebestrukturen hin: am jetzigen Ausreisegewahrsam auf dem Gelände des BER und am Rückführungsgebäude, aus dem heraus derzeit die Abschiebungen abgewickelt werden. Schließlich am Terminal 5 des BER, von dem aus zwar keine regulären Flüge mehr starten, wohl aber die Chartermaschinen für sogenannte Sammelabschiebungen.

„Wir alle hier haben ein gemeinsames Ziel: Abschiebungen zu beenden und Grenzen abzuschaffen“, sagt Fawzi Al-Dubhani aus dem Jemen, der in Biesenthal im Barnim lebt. Er betont, dass diese Forderungen nicht utopisch seien. „Für bestimmte Leute ist das ja schon Wirklichkeit: Regierungen ermöglichen grenzenlose Bewegungsfreiheit all denen, bei denen es ihnen nützlich scheint.“ So würde auch die Bundesrepublik etwa Ärzte aus dem Jemen sogar ermutigen, nach Deutschland zu kommen. Vielen, vielen anderen sei das nicht möglich. „Das ist für mich der Gipfel des Rassismus“, sagt Al-Dubhani.

Mia Däßler über das Camp

„Ein kleiner Raum der Utopie in der abschreckenden Realität“

Es sei sehr schön für ihn gewesen zu erleben, wie Menschen aus so verschiedenen Ländern in den vergangenen Tagen im Camp zusammengelebt hätten, sagt Al-Dubhani. „Das war ein Zeichen auch an die Politiker*innen, dass Zusammenleben möglich ist.“ Die ganzen Tage im Camp habe man die Flugzeuge über den Köpfen gehört – während unten Menschen für ihre Bewegungsfreiheit und für ihr Bleiberecht kämpfen würden, sagt ein weiterer Redner.

Workshops und Podiumsdiskussionen

Im Protestcamp selbst ist das Zusammenleben über die Tage zur Routine geworden, alles wirkt gut eingespielt. Bei den sechs parallel ablaufenden Workshops am Sonntag in den mittelgroßen Zelten dolmetschen Freiwillige, genauso bei der Podiumsdiskussion, auf der Geflüchtete von ihren Erfahrungen und Kämpfen berichten. Thematisch geht es um Polizeigewalt, Aufenthaltsrecht, Möglichkeiten des Widerstands und Erfahrungsberichte aus anderen Ländern.

Im Essensbereich spült eine Gruppe Freiwilliger das Geschirr, wieder andere schnibbeln Gemüse für die nächste Mahlzeit und kochen Kaffee und Tee. Auch bei den Komposttoiletten, die auch nach tagelanger Nutzung nicht stinken, sind ständig Hel­fe­r*in­nen damit beschäftigt, alles sauber zu halten und Seife oder Strohschnipsel nachzufüllen.

Viele der Teil­neh­me­r*in­nen loben die Stimmung im Camp – und das gute Essen der Soli-Küche. „Es war ein kleiner Raum der Utopie in der teils ja sehr abschreckenden Realität“, sagt die 22-jährige Mia Däßler. Sie engagiert sich in Leipzig bei der Refugee Law Clinic, einer Initiative von Jura-Student*innen, die über Asylrecht und juristische Vorgehen aufklärt. „Ein Ort, um zu lernen und um Kontakte zu knüpfen, es war respektvoll, je­de*r hat nach seinen Kapazitäten beigetragen“, sagt sie.

Viel mehr Teilnehmende als erwartet

Auch für die Ver­an­stal­te­r*in­nen war das Protestcamp ein voller Erfolg. „Wir haben rund 2.000 Menschen gezählt, die über das Wochenende im Camp waren“, berichtet Amy Amoakuh von der Initiative Abschiebezentrum verhindern. „Das sind sehr viel mehr, als wir erwartet hatten.“ Im Vorfeld hatte die Initiative von 500 Personen gesprochen. „Es zeigt, dass viele ein großes Bedürfnis haben, sich zu informieren, und dass es viele gibt, die sich gegen das Abschiebezentrum und unwürdige Abschiebepraxis stellen“, sagt sie.

Im Folgenden will die Initiative weiter über die mutmaßlich unsaubere Vergabe an den privaten Investor informieren, über dessen Person und den Profit mit Abschiebungen, den er mutmaßlich machen werde: Schließlich soll er das Abschiebezentrum im Auftrag Brandenburgs bauen und es dann dem Land gegen Entgelt zur Verfügung stellen. „Wir sehen in der öffentlichen Diskussion bisher noch nicht die Empörung, die dieses Thema verdient. Da bleiben wir dran“, kündigt Amy Amoakuh an.

Auch inhaltlich habe das Protestcamp die Erwartungen der Initiative übertroffen. „Unser Ziel war, dass sich die Organisationen untereinander vernetzen können und dass wir den Widerstand gegen das Abschiebezentrum organisieren können“, sagt Amoakuh. „Wir wollten über Abschiebepraxis aufklären und empowern.“ All das sei gelungen. „Und zusätzlich haben wir viel Freude erlebt: Die Offenheit und Akzeptanz im Camp, das war ein Mikrokosmos und ein Blick darauf, in welcher Gesellschaft wir leben wollen.“

In dem großen Interesse zeige sich auch die Ablehnung der derzeitigen Diskussion um verschärfte Asylgesetze bis hin zu einem ausgehöhlten Recht auf Asyl auf Bundes- und EU-Ebene, was bis vor wenigen Jahren nur von ganz rechtsaußen gefordert worden seie. „Das Camp war nur der Anfang“, sagt Amoakuh. „Unser Protest geht weiter, bis wir ein Ende des Bauvorhabens sehen, und bis wir Bleiberecht, Bewegungsfreiheit und Bildungsperspektiven für alle erreicht haben.“

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