: Protest wird ignoriert
Kontrolliert die Kontrollettis!
… rief die taz Sie, liebe LeserInnen, am 1. Juni auf. Es war höchste Zeit, den bei privaten Sicherheitsfirmen angestellten BVG-Kontrolleuren mal genauer auf die Finger zu schauen, dachten wir – nachdem sich zuvor Übergriffe wie Pöbeleien oder tätliche Angriffe gehäuft hatten. Hier nun eine Auswahl Ihrer ganz persönlichen BVG-Erlebnisse.
Mittags stieg ich an der Schönhauser Allee aus der U 2, Schmerz- und Hilfeschreie empfingen mich. Ich eilte in diese Richtung, sah die Gruppe von Zivi-Kontrolleuren und in der Mitte dann ihr schreiendes Opfer. Zwei „Sheriffs“ drehten ihm die Arme auf den Rücken und drückten seine Hände fast bis zum Nacken hoch, während sie es vor sich her stießen. […]
Meine Proteste wurden ignoriert, der etwa 30-jährige Mann auf eine Bank geschleudert und bewacht. Der Geschundene rief, sobald er wieder Macht über seine Hände hatte, die Polizei an und gab später noch an, ins Gesicht geschlagen worden zu sein. Jedenfalls wurde ich bei meiner Zeugenaussage danach gefragt.
Christian Begemann, per E-Mail
„Blutergüsse an den Oberarmen“
Anfang Mai wurde ich selbst aus heiterem Himmel Opfer der Aggressivität der BVG-Kontrolleure. Mit einem gültigen Fahrschein wurde ich angehalten und darauf hingewiesen, dass die Einzelfahrscheine nur noch in eine Fahrtrichtung gelten.
Noch während dieser Erläuterungen griffen zwei der vier Kontrolleure einen anderen Fahrgast an, hielten ihn auf brutalste Art fest und zerrten ihn hin und her. Diese Gewalttätigkeit war so schockierend, dass ich anfing zu rufen, sie sollen mit der Gewalt aufhören, sie hätten kein Recht, den Mann so zu behandeln. Prompt packte mich die eben noch sachlich sprechende Kontrolleurin bei meinen Oberarmen, etwas später kam eine zweite dazu (…). Eine Woche später waren noch große Blutergüsse auf meinen beiden Oberarmen zu sehen. Mit Hilfe anderer Fahrgäste konnte sich der Mann losreißen. Mich schleppten sie in den BVG-Dienstraum und stellten sich zu viert zwischen mich und die Tür. Das sei keine Freiheitsberaubung, so lange die Tür noch offen bleibe, so eine der Kontrolleurinnen. Das Erschreckende an der Aggressivität ist, dass sie unter dem Deckmantel des Rechts von der BVG propagiert wird: Die Kontrolleure hätten das Recht, jemanden mit Gewalt festzuhalten, wenn er sich nicht ausweisen will oder kann. (…)
Die BVG hat mein Angebot zu einer außergerichtlichen Einigung mit den Worten abgelehnt, ihre Kontrolleurinnen würden von einer Anzeige gegen mich absehen. Verkehrte Welt. Dennoch, mit einer Anzeige und einem folgenden Gerichtsverfahren kann man immer nur die konkreten Kontrolleure erreichen (…). Das Kopfgeldjägerprinzip aber wird auch weiterhin gelten.
Jekaterina Anzupowa, per E-Mail
„Die Anführerin schrie mich an“
Ich musste am 27. April mit dem Fahrrad in der U-Bahn fahren. Ich war nie zuvor mit dem Fahrrad in der U-Bahn und ging davon aus, dass die 2,50-Euro-Fahrradkarte für den Fahrgast und das Rad gültig ist. Aber nein.
Die Kontrollettis sind plötzlich aufgetaucht und haben mich aufgefordert auszusteigen. Ich versuchte ihnen zu erklären, dass es sich um ein Missverständnis handelt. Wenn ich wirklich schwarz fahren wollte, hätte ich mir die 2,50 Euro für die Fahrradkarte ebenfalls sparen können! Egal, die Anführerin der Kontrolletti-Brigade hat wegen meines Protestes angefangen, mich anzuschreien (…). Es ging so weit, dass andere Fahrgäste sich eingemischt haben. Letztendlich hat sie damit gedroht, sofort die Polizei zu rufen, wenn ich ihren Zettel nicht gleich ausfülle. Am Ende fühlte ich mich sehr gedemütigt und hilflos.
Oriol Poveda, per E-Mail
„Immer korrekt verhalten“
Ich bin schon oft kontrolliert worden. Die Kontrolleure haben sich dabei mir gegenüber immer korrekt verhalten. Mir ist auch nicht aufgefallen, dass andere Fahrgäste despektierlich behandelt worden wären.
Christoph Bruch, per E-Mail
„Ich ziehe jetzt die Notbremse
Ich saß in der U-Bahn und wurde (wie so oft) kontrolliert. In meine Musik und mein Buch vertieft tat ich erst so, als ob ich es nicht mitkriegen würde und suchte dann ganz langsam meinen Fahrschein […], damit es vielleicht ein paar Schwarzfahrer schaffen wegzurennen. Dies war aber leider nicht der Fall, da zu wenig Leute in der U-Bahn waren.
Zwei Jugendliche hatten keinen Fahrschein, baten aber die BVG-Leute, doch noch eine Station weiterfahren zu dürfen, da sie dort sowieso rausmüssten, und währenddessen die Personalien aufzunehmen. Der eine BVG-Mann aber, wahrscheinlich erfreut darüber, dass er jemanden erwischt hatte, meinte doch tatsächlich: „Ich ziehe jetzt die Notbremse und das kostet 200 Euro pro Sekunde“ – was er daraufhin auch wirklich tat. Die beiden Jungs sind dann natürlich ausgestiegen, ob sie das Geld bezahlen mussten, weiß ich nicht. Ich denke aber eher nicht, da sich der BVG-Mann wohl etwas zu viel geleistet hat. Das habe ich auch an den Gesichtern der anderen Fahrgäste gesehen.
Daliah
„Ja, mein Freund ist Deutscher“
Berlin, letztes Jahr, im April oder Mai bei einer Fahrkartenkontrolle. […] Ich habe mein Semesterticket von der FU, aber keinen Pass dabei. Der Typ, der mich kontrolliert, sagt, dass das Semesterticket ohne Pass ungültig ist.
Ich muss bei der nächsten Haltestelle mit aussteigen. Ich werde nervös. […] Ich gebe aus Versehen eine falsche Hausnummer an. Der Kontrolleur sagt, dass er mich zum Polizeirevier bringen soll. […] Ich erkläre ihm, dass ich sehr in Eile bin, aber einfach eine Geldstrafe zahlen kann. Auf einmal duzt er mich, fragt, woher ich komme, ob ich türkisch bin. Er selber sieht nach türkischer Abstammung aus. Ich […] bin Französin, das erkläre ich ihm. Er fragt, ob mein Freund deutsch ist. Ja, mein Freund ist ein Deutscher. Er fragt, warum ich mit einem Deutschen zusammen bin. Na, warum denn nicht? Ich will weiterfahren. „Das geht nicht, Sie müssen zum Polizeirevier.“
Wie es mir manchmal passiert, wenn ich mich unter Druck fühle, kriege ich einen leichten Asthmaanfall. Ich bekomme schlecht Luft und fange an zu weinen. Er redet die ganze Zeit. Ich bitte darum, eine Pause zu kriegen […]. Nee, sagt er, ich muss zum Polizeirevier, gleich. Ich kriege Panik, dass es mir noch schlechter gehen wird. „Eine Minute, ich brauche nur ein paar Minuten, um mich zu beruhigen.“ Er lässt mir keine Ruhe: „Hast du Geld?“ Nein, ich habe kein Geld dabei, aber ich kann Geld abheben. Na dann, kann er mir einen Gefallen tun. Ich muss nicht zum Polizeirevier mitkommen, er kann mich zum Geldautomat begleiten und ich brauche ihm nur 30 Euro zu geben. […] Ich könne dann weiterfahren. Da es mir in der Situation immer schlechter geht, sage ich ja, ja, machen wir das. […] Er freut sich und sagt, dass das Ganze doch ganz gut für uns beide gelaufen ist. Ich gehe nach rechts in Richtung U-Bahn, er nach links. Auf einmal höre ich, dass er laut pfeift, und sehe, wie seine drei Kollegen […] aus dem Nichts wieder auftauchen. Als wäre es kein Ausnahmefall gewesen.
Agnes Bensussan, per E-Mail
„Eine Lanze brechen“
Ich möchte eine Lanze für die Kontrolettis brechen. Meine Erfahrungen mache ich jeden morgen auf der U 7 zwischen Kleistpark und Rathaus Spandau. Da wird fast täglich kontrolliert, und ich habe noch nie etwas Negatives erlebt. Im Gegenteil, die meist blutjungen Leute bemühen sich sehr um Höflichkeit und lassen auch schon mal den ein oder anderen weiterfahren, z. B. kürzlich einen älteren Mann, der es nicht geschafft hatte, sein Ticket abzustempeln.
[…] Die Jobs sind – nehme ich mal an – scheiße bezahlt, und keineR macht das, weil es sein/ihr Traumjob ist! […] Vermutlich sind viele, die kontrollieren, noch kurz vorher selbst auf Sozialticket gefahren.
Silke Karcher, per E-Mail