Protest von Flüchtlingen in Berlin: Auf der Suche nach Mitstreitern
Die Flüchtlingsaktivisten vom Kreuzberger Oranienplatz beenden ihre bundesweite Protesttour mit einem Besuch in Spandau.
Als die drei Kleinbusse in die Motardstraße einbiegen, erwartet sie schon die Polizei. Erst nach Verhandlungen gewähren die Beamten fünf Flüchtlingen Einlass in das Spandauer Asylheim. Die drücken den verdutzten Heimbewohnern Flyer in die Hände und kleben Plakate an die Wände. Andere hängen ein Transparent ans Heimtor. „Lager?“, ruft Patras aus Uganda laut. „Scheiße!“, antworten die anderen im Chor. „Abschiebung?“ – „Scheiße!“
Der Besuch der Asylaktivisten am Mittwochvormittag in Spandau ist der Abschluss einer dreiwöchigen Bustour. 22 Flüchtlingsheime bundesweit besuchten die zwanzig Widerständler, alle Bewohner des Protestcamps am Kreuzberger Oranienplatz. Sie warben um Mitstreiter für ihren Protest um mehr Rechte, den sie seit einem Jahr führen.
Gespaltene Reaktionen
In Spandau sind die Reaktionen gespalten. An jede Tür des Heims klopfen die fünf Aktivisten. Der Protest gefalle ihm, sagt ein syrischer Ingenieur. Seit drei Monaten sei er hier und noch immer nicht zu seinem Asylantrag befragt worden. „Ich will weiterstudieren, meine beiden Kinder endlich zur Schule schicken.“ Ein junger Afghane geht dagegen auf Distanz. „Wo sollten wir denn hin, wenn das Heim hier geschlossen würde?“, fragt der 18-Jährige. „Und warum beschimpfen die die Polizei?“ Ohne die gehe es doch auch nicht in der Gesellschaft.
Es sind drei Forderungen, die die Flüchtlinge seit Monaten stellen: keine Abschiebungen mehr, keine Residenzpflicht und keine Sammelunterkünfte wie die in der Motardstraße. „Die Unterbringung hier ist nicht optimal“, räumt Heimleiter Manfred Nowak ein. Die alten Containerhäuser, die abgeschiedene Lage. Zum Jahresende werde die Einrichtung aber geschlossen, betont Nowak. Der Protest sei okay: „Bleibt ja alles friedlich.“
Das war nicht immer der Fall. Dreimal seien sie auf ihrer Tour von der Polizei angegriffen worden, klagen die Bus-Aktivisten später bei einer Kundgebung auf dem Alexanderplatz. Noch immer tragen einige Pflaster auf der Nase, ein Mann hat ein blaues Auge. Die Polizei spricht dagegen von nicht befolgten Zutrittsverboten oder Widerstand. „Ein Erfolg war‘s trotzdem“, sagt der Sudanese Mahadi. Viele Asylbewerber hätten ihr Kommen zur nächsten Demo am Samstag angekündigt. Dann wollen die Flüchtlinge vom Oranienplatz zum Bundestag ziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen