piwik no script img

Archiv-Artikel

Protest in Paris gegen „WM der Bordelle“

Eine Woche vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft ist in Frankreich die Prostitution in Deutschland das beherrschende Thema. Feministinnen verweisen darauf, dass bei der Legalisierung des Sexgewerbes die Zahl der Bordelle zunimmt

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

„Nein zur Weltmeisterschaft der Bordelle“. So steht es auf einem lilafarbenen Transparent, um das sich Feministinnen, rechte und linke PolitikerInnen auf dem „Square de Berlin“ im Herzen von Paris versammeln. „Ja zum Fußball, nein zur Prostitution“, schreien sie in den Verkehrslärm hinein, der von den Champs-Élysées herüberschallt. Es ist seit Jahrzehnten die erste parteienübergreifende Demonstration gegen deutsche Politik in Paris. Bis zur deutschen Botschaft dringt sie nicht vor. Das verhindern Polizisten.

Auf einer Petition „gegen die Weltmeisterschaft der Schande“ haben Feministinnen in den vergangenen Wochen mehr als 100.000 Unterschriften in 125 Ländern gesammelt. Ausgangspunkt der Initiative war Frankreich. Dort haben sich nicht nur Feministinnen, sondern auch Abgeordnete sämtlicher Parteien im Senat, der zweiten parlamentarischen Kammer, gegen die staatlich protegierte Prostitution im Nachbarland ausgesprochen. Und im Stadtrat von Paris haben rechte und linke PolitikerInnen ihren Bürgermeister aufgefordert, bei der Fifa vorstellig zu werden, damit die nicht nur das Recht der Kinder verteidigt, sondern auch das der Frauen.

Am Dienstag, bisheriger Höhepunkt der Kampagne gegen die „Bordellweltmeisterschaft“, wollten drei Feministinnen in Paris ihre Forderungen beim deutschen Botschafter abgeben. Der schickte einen Mitarbeiter vor, der den Frauen versichert, dass Deutschland zwar die Prostitution reguliert hat, aber trotzdem gegen Frauenhandel vorgeht. Das ist in Frankreich nicht vermittelbar. Das Land betreibt eine entgegengesetzte Politik zu Deutschland, wo die Prostitution vor vier Jahren gesetzlich geregelt wurde. In Frankreich sind die Bordelle vor 60 Jahren geschlossen worden. Zusätzlich stellte die jetzige rechte Regierung das „passive Anschaffen“ unter Strafen, die bis zu Gefängnis reichen. Die AktivistInnen gegen die „Bordellweltmeisterschaft“ – darunter Konservative der Regierungspartei UMP, VertreterInnen der rechtsliberalen UDF, SozialistInnen, Grüne und KommunistInnen – möchten noch weiter gehen. Ihr Vorbild ist Schweden. Wie dort verlangen sie die „Kriminalisierung von Freiern“ und wünschen sich eine „grundsätzlich gesellschaftliche Debatte über die Prostitution“. Von Deutschland fühlen sie sich missverstanden. „Die Kriminalisierung der Kunden“, so PS-Vorstandsmitglied Laurence Rossignol, „ist die einzige Methode, die die Prostituierten nicht doppelt zu Opfern macht.“ Zugleich weist sie darauf hin, dass dort, wo die Prostitution legalisiert wird, die Zahl der Bordelle ansteigt.

Was die DemonstrantInnen am „Square de Berlin“ verlangen, genießt Unterstützung. FranzösInnen mögen weder die Unterteilung in angeblich „freiwillige Prostitution“ einerseits und „Zwangsprostitution“ andererseits nachvollziehen, noch betrachten sie die Prostitution als einen normalen Job. „Bei keiner Berufsberatung wird vorgeschlagen, Prostituierte zu werden, und nirgendwo wünschen sich Eltern, dass ihre Kinder Prostitutierte werden“, sagt die ehemalige Umweltministerin Dominique Voynet, „wir sollten mit dieser Heuchelei aufhören.“ Nur ganz wenige „Ikonen“ prostituieren sich nach Ansicht französischer Feministinnen freiwillig. Die große Mehrheit gehe dem Gewerbe aus Not nach.

Die internationale Organisation gegen den Frauenhandel CATW liefert Zahlen: Die weltweit rund fünf bis sieben Milliarden US-Dollar Jahresprofite der Sexindustrie, die sämtliche Militärbudgets der Welt übersteigen. Und den hohen Anteil von angeblich 90 Prozent von „Sexsklavinnen“ an der klandestinen Einwanderung nach Europa.

Gut eine Woche vor dem Anpfiff in Deutschland ist in den französischen Medien die Prostitution das zentrale Thema der Fußball-WM. Der Chef eines Berliner Riesenbordells ist eine der meistporträtierten Personen. Sein Satz „unser Modell ist McDonald’s“ schockiert. KP-Chefin Marie-George Buffet schlägt vor, während der WM europäische Frauendemos gegen die Prostitution in Deutschland zu veranstalten. Der UDF-Politiker Didier Bariani verlangt „als Minimum“, dass jedes Stadion vor jedem Anpfiff „Durchsagen gegen die Ausbeutung von Frauen“ macht.