: Protest in Moskau nach Teilamnestie
■ „Gegendemonstranten“ griffen mit Duldung der Miliz jüdische Demonstranten und westliche Kamerateams an
Moskau (ap/taz) - Die am Dienstag bekanntgewordene - vom Obersten Sowjet Anfang Februar beschlossene - Teilamnestie für zunächst 140 politische Häftlinge betrifft nach Angaben eines Sprechers des sowjetischen Außenministeriums Bürger, die nach Paragraph 70 des Strafgesetzbuches wegen „Agitation und anti–sowjetischer Propaganda“ verurteilt worden waren. Alle Freigelassenen hätten sich verpflichtet, die vermeintlich anti– sowjetische Tätigkeit aufzugeben und ein schriftliches Gnadengesuch an den Obersten Sowjet gerichtet. Gefangene, die sich nicht zu diesem Schritt bereit erklären, werden offenbar nicht amnestiert. Einer von ihnen ist der jüdische Regimekritiker Jossif Begun, der 1983 wegen Paragraph 70 zu sieben Jahren Haft und fünf Jahren Verbannung verurteilt worden war. Bei der letzten von mehreren Protest–Demonstrationen zur Freilassung des Regimekritikers kam es gestern in Moskau zu tätlichen Auseinandersetzungen. Junge „Gegendemonstranten“ griffen dabei die jüdischen Demonstranten und westliche Kamerateams an. Anwesende Milizsoldaten hielten sich zurück. Dabei sollen sich die „Gegendemonstranten“ offen antisemitisch geäußert haben. Der anwesende Bezirksbürgermeister forderte die Demonstranten auf, „ihre Kundgebung abzubrechen“, da das Demonstrationsrecht in der Verfassung „zur Verteidigung der Interessen aller und nicht als Ausdruck von Einzelinteressen“ festgeschrieben sei. Nach Darstellung des sowjetischen Außenministeriums befinden sich nach der Teilamnestie noch 140 Gefangene wegen sogenannter „anti–sowjetischer Aktivitäten“ in Straflagern.
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