Protest gegen Neonaziaufmarsch: Gescheitert an der Pyramide
Kreativer Protest ließ in Bad Nenndorf den Neonazimarsch zum Debakel werden. Über mehrere Stunden blockierten die Demonstranten den Kundgebungsort.
BAD NENNDORF taz | Mit zahlreichen Protestaktionen und Blockaden behinderten am Samstag im niedersächsischen Bad Nenndorf etwa 1.000 Menschen einen Aufmarsch von Neonazis. Das deutete sich schon am Vortag an: Vier Gegendemonstranten war es gelungen, sich mit einer Pressluftpyramide auf dem geplanten Kundgebungsplatz festzuketten.
„Die Pyramide ist besonders konstruiert, nicht so einfach zu knacken“, ließen die Aktivisten überraschte Polizeikräfte und dazugekommene Umstehende wissen. Nicht die einzige Aktion, die später auch die Polizeimaßnahmen unterliefen.
Vom Bahnhof der niedersächsischen Kurstadt wollten die Neonazis zum Wincklerbad ziehen. 800 Meter schweigend mit Fahnen und Trommeln. Seit 2006 laufen sie dort auf. Die britische Armee nutzte das Gelände nach 1945 als Verhörzentrale. Nach dem Bekanntwerden von Folterungen und Misshandlungen an Nationalsozialisten und vermeintlich sowjetischen Spionen wurde sie geschlossen. Im Laufe der letzten Jahre wurde der Marsch zu einem zentralen rechten Szenetermin.
Um 13 Uhr standen aber über 400 Gegendemonstranten am Bahnhof. Auf dem Bahnsteig hatten sich zuvor acht Demonstranten untereinander mit Fahrradbügelschlössern zusammengeschlossen. Über 1.000 Menschen nahmen an den unterschiedlichen Protestaktionen teil.
Weniger Neonazis als erwartet
Von Haste, nahe der Kurstadt, wollte die Polizei wegen dem Protest die Neonazis mit Bussen zu ihrem Auftaktort bringen lassen. Nicht alle Busfahrer wollten allerdings diese Fahrgäste transportieren. Erst drei Stunden später als geplant konnten die Neonazis um den NPD- und Kameradschaftskader Thomas Wulff losmarschieren. Die Rechten blieben dabei unter ihren eigenene teilnehmererwartungen: Statt 900 kamen weniger als 500 Neonazis. Für die wurde der Marsch zum Spießrutenlauf.
Nicht nur weil die 800 Meter bunt mit Antirechts-Parolen geschmückt waren. An der Straße standen viele Bad Nenndorfer mit Plakaten „Schluss mit rechten Mummenschanz“. Die Bad Nenndorfer hatten sich entlang der Route zu privaten Partys eingeladen. Private Veranstaltungen, die nicht polizeilich verboten werden konnten, sagte Jürgen Übel, Vorsitzender des Bündnisses „Bad Nenndorf ist bunt“.
Das breite Bündniss hatte auch zu Kundgebungen aufgerufen. „Wir sind weder bereit, unsere Straßen und Plätze diesen Menschenfeinden zu überlassen, noch die Herzen und Köpfe der nachwachsenden Generation“, sagte der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD). „Aus Tätern sollen Opfer gemacht werden“, sagte Grünenpolitiker Jürgen Trittin und warf den Neonazis „eine grandiose Geschichtsfälschung“ vor.
Eine dieser Geschichtsverfälscherinnen Ursula Haverbeck-Wetzel sollte vor dem „Bad“ reden. Als die Neonazis dort ankamen, stand die Pyramide immer noch. Deshalb mussten sich die Rechten eng aufstellen. Von den Reden war kaum etwas zu vernehmen. Die Technik der Rechten funktionierte nicht richtig. Die Holocaustleugnerin Haverbeck-Wetzel war aber auch nicht zu hören, da ihr lautstark „Du bist ne Lügnerin!“ entgegenschalte.
Zweite Neonazi-Demo in Hannover abgesagt
Sichtlich genervt zogen die Neonazis zum Bahnhof zurück. Angefasst sagte der militante Neonazikader Dieter Riefling gleich eine von ihm in Hannover angemeldete Kundgebung ab. In der Landeshauptstadt war bei den schon versammelten Gegendemonstranten der Jubel groß als sich um 18.50 Uhr die Absage herumsprach – wegen der Verzögerungen in Bad Nenndorf hätten es die Rechten nicht mehr rechtzeitig ins 35 Kilometer entfernte Hannover geschafft.
Zu kleineren Auseinandersetzungen zwischen Gegendemonstranten und Polizei kam es dennoch: Auf dem Zentralen Omnibusbahnhof – wo ursprünglich die Rechten hätten auflaufen sollen – flogen einige Flaschen und Eier. 23 Personen wurden in Gewahrsam genommen.
Die Innenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Meta Janssen-Kucz sagte: „Die Partymeile und die vielfältigen Demonstrationen gegen den Naziaufmarsch waren ein voller Erfolg gegen Rechts. Für die Rechten wurde der Aufmarsch zu einem Trauerspiel“.
In Bad Nenndorf hatte die Polizei bei einzelnen Blockaden eine Pferdestaffel und Pfefferspray eingesetzt. Am Bahnhof, so Janssen-Kucz wurde zweimal eine Überwachungsdrohne eingesetzt, was die Persönlichkeitsrechte verletzte. Im Landtag wollen die Grünen deshalb nachfassen.
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