Protest gegen Moscheen: Hetze im Hinterhof
Die islamfeindlichen Moscheegegner in Moabit bekommen Verstärkung: Ein CDU-Politiker will gegen den Kulturverein formaljuristisch vorgehen.
Beim Einbiegen in die Waldstraße versiegt der Lärm der viel befahrenen Turmstraße. Die Straße ist von Bäumen gesäumt, in der Mitte befindet sich ein Spazierweg. Für Moabit ist es hier sehr ruhig. Doch unter der idyllischen Oberfläche brodelt es.
Seit einigen Wochen herrscht in der Waldstraße 57 ein sich zuspitzender Nachbarschaftskonflikt um eine Moschee im Hinterhof. Die ehemalige Sparkasse wird seit 2003 von dem Kulturverein "Haus der Weisheit" unter anderem als Gebetsstätte genutzt. Doch seit Mai versperrt eine Baustelle den Zugang zur Moschee und die Besucher müssen durch die Hofeinfahrt in der Waldstraße kommen. Das nehmen drei Mietparteien der Nummer 57 zum Anlass, Hetze gegen Abdallah Hajjif, den Imam der Moschee und Gründer des Hauses der Weisheit, zu führen.
Einer der Mieter, Gerhard Bock, gründete mit dem Hausmeister Jürgen Krämer den "Verein Berliner Nachbarschaftshilfe" (VBN). Auf dessen Internetseite ruft Bock zur Entislamisierung des ganzen Bezirks auf. Unterstützung verspricht sich der Vorsitzende des VBN von dem Pankower CDU-Abgeordneten René Stadtkewitz. Der setzte sich bereits lautstark gegen den Bau der Ahmadiyya-Moschee in Heinersdorf ein. Für Dienstag lud Bock den Politiker daher zu einem Treffen des Vereins in die Gaststätte Holzwurm gegenüber des Mietshauses ein.
Die taz fliegt raus
Dort warten drei ältere Herrschaften plus Ehefrauen, sowie zwei Herren in den Mittvierzigern auf den Beginn der Veranstaltung. Bock, in dunklem Anzug und weißen Hemd, begrüßt die Besucher, während ein Kamerateam von Spiegel online sein Equipment aufbaut. Die taz ist weniger gerne gesehen. "Sie sind nicht eingeladen!", schreit Bock und wird beim ersten Widerwort noch direkter. "Sprech ich polnisch oder was? Verschwinden Sie, sonst ruf ich die Polizei!" Er habe die Lügen "dieser Schmierblätter" satt.
Die taz berichtete vergangene Woche über die Vernetzung von Moscheegegnern und Rechtsextremisten sowie über Bocks ausländerfeindliche Äußerungen im Internet. Als "skipperberlin" tauscht sich Bock mit Gleichgesinnten aus und greift dabei auch zu Geschmacklosigkeiten. Bestes Beispiel: Ein Comic, in dem ein Muslim und eine Muslimin mit einem Hundehaufen gleichgesetzt werden.
Der Pankower Bezirkspolitiker René Stadtkewitz weiß von all dem angeblich nichts. Nach dem Treffen sagt er, er habe sich nur die Probleme der Mieter mit der Moschee angehört. Das seien in erster Linie die Lärmbelästigung, sowie Fragen der Sicherheit und der Müllentsorgung. "Das Gebäude ist für 90 Menschen zugelassen", behauptet er. Aber mehrere Mieter hätten bis zu 300 gezählt. Ein Foto, das "der Herr Bock" geschossen hätte, habe das bestätigt. "Das müssen wir natürlich prüfen", so Stadtkewitz. Er werde demnächst ein Freitagsgebet besuchen, um sich ein Bild zu machen. Sollte die Moschee überfüllt sein und damit "illegal genutzt" werden, werde er rechtliche Schritte gegen den Imam einleiten, so der CDU-Politiker.
Aber seiner Meinung nach handele es sich nur um einen hochgekochten Nachbarschaftsstreit, der mit Rassismus nichts zu tun hätte. Mit dem nächsten Satz macht Stadtkewitz allerdings deutlich, dass es für ihn wohl doch um mehr als einen Knatsch unter Nachbarn geht: "Die Leute fühlen sich gar nicht mehr wie im eigenen Land. Das nehmen sie als unangenehm wahr. Aber nur weil man sich kritisch mit der Situation auseinandersetzt, ist man doch nicht gleich rechtsradikal." Auch Hausmeister Krämer will kein Rechter sein. Wenn er etwas gegen Ausländer hätte, würden in seinem Haus keine wohnen.
Besucher beschweren sich
Das sehen die meisten Mieter des Hauses anders. Sie haben sich am selben Abend ein paar Häuser weiter zusammengefunden, um per Mediation den Konflikt zu schlichten. Organisiert hat dieses Treffen Eva-Maria Kaes vom Quartiersmanagement Moabit West. Eingeladen waren auch die Vereinsmeier um Bock - die allerdings sind nicht erschienen. "Der Hausmeister schließt zu jeder freien Minute das Tor ab, angeblich aus Sicherheitsgründen", erzählt Imam Hajjir. Dabei gehe es ihm nur darum, die Menschen am Besuch der Moschee zu hindern. Hajjir ist ein guter Freund von Kaes, dem sie eine wichtige Rolle bei der Integrationsarbeit des Bezirks zuschreibt. Als Jordanier kam er vor knapp 30 Jahren nach Berlin und fing bereits früh an, sich im sozialen Bereich zu betätigen.
Auch Moscheebesucher wissen nichts Gutes über den Hausmeister zu berichten. "Einmal hat er 'Scheiß Ausländer' und 'Ihr habt hier nichts zu suchen' aus dem Fenster gerufen", berichtet ein junger Mann. Hajjir ergänzt: Was die Zahl der Besucher betreffe, suchten Bock und sein Verein doch nur nach gesetzlichen Argumenten, mit denen sie sie loswerden könnten. "Wir haben hier aber alles behördlich geregelt", versichert er. Das bestätigt Christian Hanke, SPD-Bezirksbürgermeister von Mitte. "Es gibt keine baurechtlichen Beschränkungen für einstöckige Gebäude."
Etwas Positives kann Hajjif dem Streit aber doch abgewinnen. Durch die Auseinandersetzung habe man unter den Nachbarn neue Freunde gefunden.
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