„Remigriert euch ins Knie!“

Rund 1.000 Menschen haben am Freitag in Lichterfelde gegen einen Auftritt des Rechtsextremisten Martin Sellner demonstriert

Von Darius Ossami

Eine so lautstarke Kundgebung hat Lichterfelde wohl selten erlebt: Unter dem Motto: „Re-Migration? Nein Danke! Wir bleiben hier!“ protestierten am Freitagabend bis zu 1.000 Menschen gegen einen Auftritt des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner. Der war vom Ex-AfD-Politiker Andreas Wild in die Räume des rechtsextremen Vereins „Staatsreparatur“ im Berliner Südosten eingeladen worden.

Die Rechtsextremen wurden von den Demonstrierenden mit „Nazis raus“-Sprechchören empfangen und von der Polizei an der Kundgebung vorbeigelotst, nur vereinzelt ließen sie sich vor dem Vereinslokal blicken. Unter den Be­su­che­r*in­nen des Sellner-Vortrags waren auch Mitglieder von AfD und Junge Alternative.

„Der Faschismus droht wieder in der Gesellschaft anzukommen“, betonte ein Redner der Organisation „Aufstehen gegen Rassismus“. „Umso wichtiger, dass wir heute hier sind und laut und deutlich sagen: Nie wieder! Kein Fußbreit den Faschisten!“

Gegen Ende der Kundgebung heizte das spanisch-deutsche Duo Global Origins den Demonstrierenden mit antifaschistischem Hiphop ein. „Lichterfelde-Ost braucht keine Staatsreparatur; wir reparieren uns selbst“, rief eine Frau entschlossen ins Mikrofon; „Remigriert euch ins Knie!“

Martin Sellner sollte bei dem Vortrag in Berlin sein Buch „Remigration“ vorstellen. Bei dem Titel handelt es sich um einen verharmlosenden Begriff zur massenhaften Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund. Sellner selbst ist der Gründer der „Identitären Bewegung Österreich“ und ein zentraler Akteur der sogenannten Neuen Rechten. Zwischenzeitlich galt für ihn in Deutschland ein Einreiseverbot; es wurde jedoch Ende Mai durch das Verwaltungsgericht Potsdam vorerst wieder aufgehoben.

Sellners Buch ist im Antaios-Verlag des rechten Vordenkers Götz Kubitschek erschienen. Sellner ist auch Mitarbeiter von dessen „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda in Sachsen-Anhalt. Im Mai wurde das Institut aus taktischen Gründen aufgelöst, besteht aber de facto unter einem anderen Namen weiter.

Für den Verein „Staatsreparatur“ könnte sich die Veranstaltung mit dem österreichischen Rechtsextremisten als Bumerang erweisen: Nachdem im Februar ein Auftritt des Ex-AfD-Politikers André Poggenburg in dem Vereinslokal für Aufsehen gesorgt hatte, sei nun erneut berlinweit Aufmerksamkeit auf den Laden gerichtet worden, sagte ein Sprecher der Initiative „Steglitz-Zehlendorf weltoffen“: „Wir haben den Laden im Blick und werden weiterhin so lange Protest organisieren, bis hier nichts mehr stattfindet“, stellte der Sprecher klar und konnte sich einen Seitenhieb nicht verkneifen: „Wir haben die Veranstaltung in den Hinterhof zu den Mülltonnen vertrieben.“

Tatsächlich hatte am Freitagvormittag das Bezirksamt im Vereinslokal eine Brandschutzbegehung durchgeführt und verfügt, dass sich nur zehn Personen im Raum aufhalten dürften. Ein großer Teil der rund 60 Gäste musste Sellner deshalb im Hinterhof lauschen.