Protest gegen Großflughafen-Pläne: Wer den Krach hat
Im gut situierten Berliner Südwesten gehen Anwohner gegen die geplanten Flugrouten des neuen Großflughafens auf die Straße. Sie fühlen sich verschaukelt.
![](https://taz.de/picture/293671/14/9557097.20101018-16.jpg)
Wenn in Deutschland große Infrastrukturprojekte gebaut werden sollen, lässt der Protest nicht lange auf sich warten. Nicht nur in Stuttgart oder Offenburg, sondern derzeit auch im wohlhabenden Berliner Südwesten. Dort wenden sich Betroffene gegen die geplanten Flugrouten des neuen Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg International (BBI), der derzeit in Schönefeld am südöstlichen Stadtrand gebaut wird und Mitte 2012 in Betrieb gehen soll. Am Montag Abend wollten wieder Hunderte Berliner gegen den Fluglärm auf die Straße gehen.
Dabei hat es gerade erheblichen Krach von Bürgerinitiativen untereinander gegeben. Grund ist die Forderung nach einem Baustopp beim Flughafen, den die größte Inititiative am Wochenende erhoben hat. "Das Sankt-Floriansprinzip wird den Neubetroffenen nicht helfen", meint etwa Ferdi Breidbach, der seit Jahren im Berliner Südosten die Proteste gegen den Flughafen organisiert. "Der BBI darf am Standort Schönefeld nicht in Betrieb gehen."
Dem widerspricht Marela Bone-Winkel, die mehrere neu gegründete Bürgerinitiativen im Raum Berlin/Potsdam vertritt. "Wir fühlen uns von solchen Forderungen überfahren", sagte sie am Montag. Ein Baustopp sei unrealistisch, die Forderung danach führe nicht weiter.
Dass der Berliner Südwesten überhaupt von Fluglärm betroffen sein könnte, wissen die dortigen Anwohner erst seit einigen Wochen, als erste Entwürfe der Deutschen Flugsicherung (DFS) über geplante Flugrouten bekannt wurden. Da Flugzeuge immer gegen den Wind starten und landen und knapp zwei Drittel der Berliner Winde aus westlichen Richtungen kommen, sind die Westlagen besonders interessant. Nach den DFS-Entwürfen würden Flugzeuge der nördlichen Start- und Landebahn beim Start gen Westen kurz nach dem Abheben einen Knick nach Norden nehmen, um die Gemeinde Blankenfelde in etwa 600 Meter Höhe zu umfliegen - dort wäre die Lärmbelastung extrem. Auf ihrem weiteren Weg überflögen sie dann die wohlsituierten Gebiete im Berliner Südwesten in einer Höhe von 1.500 bis 2.500 Meter. Auch dann wären die Flieger noch deutlich zu hören.
Bislang waren die Berliner davon ausgegangen, dass es beim Abflug von BBI keinen Knick gibt; die Maschinen wären südlich an der Hauptstadt vorbeigerauscht. Manch Betroffener vermutet heute, dass ihnen die Knickvariante absichtlich vorenthalten wurde, um die Zustimmung zum neuen BBI-Standort nicht zu gefährden.
Die Diskussion um den Standort reicht in die Wendezeit zurück. Damals wurde schnell deutlich, dass das Berliner Flughafensystem mit den innerstädtischen Standorten Tegel und Tempelhof nicht zukunftsfähig ist; zudem leiden dort Hunderttausende Berliner unter dem wachsenden Flugverkehr. Als mögliche Orte für den neuen Großflughafen kristallisierten sich dann der Standort des ehemaligen DDR-Hauptstadtflughafens in Schönefeld und der eines Militärflughafens im 70 Kilometer entfernten Sperenberg heraus. Während das Land Brandenburg das kaum besiedelte Gebiet bei Sperenberg bevorzugte, weil es eine strukturschwache Region beleben wollte, waren die Positionen in Berlin unterschiedlich. SPD und PDS waren für Sperenberg, die CDU lehnte diesen Standort ab. Für die in Westberlin stark verankerte CDU war er einfach zu weit entfernt. Auch Umweltschützer wollten die kaum berührte Wald- und Heidelandschaft um Sperenberg schützen; außerdem bedeutet ein stadtferner Flughafen viel zusätzlichen Verkehr. 1996 einigten sich die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund auf Schönefeld als künftigen Standort. Darunter werden künftig Zehntausende Bewohner des Berliner Speckgürtels leiden - egal, wo die Flugrouten letztlich liegen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen