Protest gegen Grenzschutzbehörde: Mit Kantaten gegen Frontex
Das bundesweite "AntiRa-Camp" demonstriert in Lübeck gegen die umstrittene EU-Grenzagentur Frontex.
LÜBECK taz Im Rahmen des bundesweiten "Klima- und AntiRa-Camps" in Hamburg demonstrierten am Dienstag mehr als 200 Teilnehmer vor der Bundespolizei-Akademie in Lübeck. Mit dem Abstecher an die Ostsee sollte auf die Verquickung der Bundespolizei mit der Agentur für operative Zusammenarbeit an den EU-Außengrenzen (Frontex) aufmerksam gemacht werden, die illegale Einwanderung nach Europa verhindern soll.
An der Bundespolizei-Akademie hatten Ende 2007 in Kooperation mit Finnland, Litauen, Slowenien und Ungarn vier Kurse stattgefunden, in denen Beamte für künftige Frontex-Einsätze geschult wurden. Weitere Seminare sollen folgen.
Die Kundgebung, die vom Lübecker Flüchtlingsforum unterstützt worden ist, begann mit Kantaten zum Thema Migration unter dem Motto: "Töne und Klänge statt Grenzen und Zwänge". Bernd Kasparek von der "Karawane für die Rechte der Flüchtlinge" widersprach den jüngsten Darstellungen von Frontex, die Agentur habe 53.000 Menschen das Leben gerettet. "Der humanitäre Anstrich, den sich Frontex gibt, ist ein Hohn", sagte Kasparek. Frontex habe vielmehr 53.000 Menschen abgefangen und abgeschoben. Dabei hätten Grenzer oft die Boote geentert und den Flüchtlingen die Lebensmittel weggenommen, berichtete Kasparek. Die Folge: Die Flüchtlinge mussten umkehren.
Frontex operiert in mehreren Einsatzgebieten. Unrühmlich bekannt wurde die Grenzagentur im Herbst 2006 durch ihre "Operation Hera II" vor den Kanarischen Inseln, als dort 31.000 Flüchtlinge auf überfüllten Booten aus dem Senegal eintrafen. Dabei wurden Schiffe, Hubschrauber und Flugzeuge eingesetzt, um die Boote vor der westafrikanischen Küste abzufangen.
Frontex mischt aber auch im Mittelmeer insbesondere in Kooperation mit der griechischen Grenzpatrouille oder an europäischen Flughäfen bei der Identifizierung Papierloser mit. Die Agentur hilft dabei, etwa aus Hamburg Sammelabschiebungen per Charterflugzeug auf europäischer Ebene zu organisieren. Frontex ist aktiv in der Forschung von Biometrie und neuer Grenzschutz-Technologien.
Das Jahresbudget der EU-Grenzschutzagentur, die ihr Hauptquartier im polnischen Warschau hat, hat sich von 2005 bis 2007 auf 35 Millionen Euro nahezu verdreifacht, mittlerweile verfügt Frontex über rund 140 Mitarbeiter.
Die Grenzagentur ist 2004 durch eine Verordnung der EU-Mitgliedstaaten ins Leben gerufen worden. "Die Agentur koordiniert die operative Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich des Schutzes der Außengrenzen, unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Ausbildung von nationalen Grenzschutzbeamten", schreibt Frontex über sich selbst. Der Arbeitskreis Asyl in Hamburg und die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge werfen Frontex vor, für ein "immer aggressiveres europäisches Abschottungssystem gegen Migranten und Flüchtlinge" zu stehen. Trotz der Beteuerung, dass die Einhaltung der Menschenrechte bei allen Operationen "höchste Priorität" habe, sei es wiederholt zu Menschenrechtsverletzungen gekommen - "und zu einem rapiden Anstieg der Todeszahlen infolge immer gefährlicherer Fluchtrouten".
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