piwik no script img

Protest gegen FlüchtlingspolitikBlumen und Teddys für Schwesig

Das Zentrum für Politische Schönheit bedankt sich bei Familienministerin Schwesig (SPD) für ihr historisches Hilfsprogramm. Ein Ortstermin.

Dankesgrüße vor dem Familienministerium. Bild: Josef Wirnshofer

„Wer sich so tatkräftig einsetzt, muss doch nicht bescheiden sein“, schmunzelt Anna De Carlo. Sie arbeitet für die „Kindertransporthilfe des Bundes“ und findet es ganz rührend, dass Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) „keine großen Worte“ über ihre umfassende Rettungsaktion für Flüchtlingskinder aus Syrien verliert.

De Carlos ironischer Zungenschlag ist natürlich nicht zu überhören. Schwesig hat zu der gefakten Initiative, laut der die Bundesepublik unter ihrem Namen 55.000 Kinder aus dem Krisengebiet aufnehmen will, bislang noch nicht persönlich Stellung genommen. Das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) um den Aktionskünstler Philipp Ruch hat nun per Facebook und Twitter dazu aufgerufen, am Mittwoch zum Familienministerium zu kommen. Mit Blumen, Kuchen und Teddybären, um der Familienministerin für ihr Engagement zu danken.

Es ist ein stiller Protest. Etwa 50 Leute versammeln sich um 15 Uhr vor einer Glasfassade in der Glinkastraße, darunter auch einige Journalisten. An einem Bauzaun neben dem Haupteingang des Ministeriums sind Dutzende Stofftiere und knallbunt verpackte Geschenke drapiert. Viele haben Blumen mitgebracht, eine junge Mitarbeiterin des ZPS verteilt Dankeskarten. „Zum ausfüllen und dazuhängen“, meint sie. Auch Manuela Schwesig steht am Zaun – als übergroßer Aufsteller, den das ZPS ihr zu Ehren aufgestellt hat.

Unter den Besuchern ist auch eine junge Frau aus Syrien. Sie habe auf Facebook von der Transporthilfe gelesen und nachsehen wollen, ob die Rettungsaktion denn ernst gemeint ist. Seit zwei Jahren lebt sie nun in Deutschland, aufgewachsen ist sie in Aleppo. „Ich hatte einfach Glück“, sagt sie über ihre Ausreise in die Bundesrepublik. Andere hätten leider keines gehabt.

Satire bis zum Schluss

Nach etwa einer halben Stunde dann wird die Eingangstür geöffnet, eine Pressesprecherin des Ministeriums tritt vor die Demonstranten. Frau Schwesig sei leider terminlich verhindert, lasse aber ausrichten, wie sehr sie das überwältigende Feedback auf ihr Hilfsprogramm freue. „Gerade, dass so viele Bundesbürger sich bereit erklärt haben, Kinder bei sich aufzunehmen“, so die Sprecherin weiter, „gibt uns große Hoffnung, dass wir das Hilfsprogramm tatsächlich umsetzen können“.

Kurze Verwunderung. Meint die das gerade ernst? Leider nein. Die „Pressesprecherin“ ist Teil der Inszenierung. Satire bis zum Schluss.

Keine Inszenierung sind jedoch die Worte von Aziz Al-Ayyoobi. Als Mitglied der Union Kurdischer Studierender in Syrien (UKSS) setzt er sich vor Ort für syrische Schüler und Studenten ein. „Wir richten Übergangsschulen ein, geben Unterricht und Sprachkurse“, erzählt er. Jungen Menschen in Syrien soll dadurch ermöglicht werden, nach der Krise wieder in ein geregeltes Arbeitsleben eintreten zu können.

Nach einer Stunde ist alles vorbei. Die Protestaktion des Zentrums für Politische Schönheit aber geht weiter. Am Freitag wird Ruch mit zwei Holocaustüberlebenden, die durch einen Kindertransport 1939 gerettet wurden, im Bundeskanzleramt erscheinen. „Wir wollen Druck auf die Kanzlerin machen“, erklärt Ruch, „und verlangen eine 180-Grad-Wende in der deutschen Flüchtlingspolitik“. Er hofft, am Freitag im Kanzleramt empfangen zu werden. Die Holocaustüberlebenden könne die Kanzlerin schließlich nicht vor verschlossenen Türen stehen lassen, „das wäre ein zu negatives Zeichen ins Ausland“.

Die junge Dame aus Syrien bleibt noch ein wenig vor der Dankeswand stehen. „Es hat mir gefallen“, sagt sie. Vor allem das „Politische Schönheit“ im Namen der Künstlergruppe finde sie gut. „Das ist so ironisch, weil eigentlich ist Politik gar nicht schön.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!