Protest der Karl-Marx-Allee-Mieter: „Nee, nee, nee, SPD“
Anwohner der verkauften Blöcke in der Karl-Marx-Allee fordern die Rekommunalisierung. Den SPD-Vorschlag zum Eigenerwerb lehnen sie ab.
Während die einen schon die Zerstückelung und Geschäftemacherei mit der Prachtstraße betreiben, hofft die Mehrzahl der etwa 2.000 Mieter in den 700 verkauften Wohnungen noch auf eine politische Lösung. Und, da es nicht anders geht: auf die SPD. Am Sonntagvormittag fanden sich weit mehr als 100 Mieter, Unterstützer und Aktive der Kampagne „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ gegenüber dem Willy-Brandt-Haus ein, in dem die Partei gerade ihre Spitzenkandidaten für die Europawahl bestimmte.
Ihr Anliegen: Finanzsenator Matthias Kollatz und seine Verwaltung sollen dafür sorgen, dass die Wohnungen rekommunalisiert werden. Nicht nur die 80 im Block D-Süd, für den als einziger das bezirkliche Vorkaufsrecht infrage kommt, sondern auch die 620 weiteren. Anders als der Senator vorgeschlagen hat, wollen sie nicht über Kredite der Investitionsbank selbst Eigentümer ihrer Wohnungen werden. „Es ist kein Rettungspaket, sich mit 300.000 Euro zu verschulden“, sagt ein Redner. „Nee, nee, nee, SPD“, ruft die Menge – und in Richtung Deutsche Wohnen: „Enteignen! Enteignen!“
Derselbe Redner berichtet von einem schon vor Jahren in Eigentumswohnungen aufgeteilten Zuckerbäcker-Haus am Frankfurter Tor. „Eine Hausgemeinschaft gibt es dort nicht mehr“, berichtet er, stattdessen ein Loft, wo einmal die für alle zugängliche Dachterrasse war, Eigentümer mit mehreren Wohnungen, Airbnb-Unterkünfte. Die Versammelten favorisieren ein Treuhändermodell, wie es Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) vorgeschlagen hat. Über Landeskredite wollen sie die Wohnungen erwerben und dann an eine Wohnungsbaugesellschaft abtreten.
Empfohlener externer Inhalt
Schwierig ist das, weil Verkäufer und die Deutsche Wohnen untereinander vereinbart haben, dass die Mieter für den Kauf keinen Kredit auf ihr zukünftiges Eigentum aufnehmen und ihr individuelles Recht auch nicht abtreten dürfen. Ein erstes Gutachten sah eine Übertragung als machbar an, wurde aber von Kollatz’ Staatssekretärin Margaretha Sudhof verworfen. Bis Montag sucht eine beauftragte Kanzlei nach einer neuen tragfähigen Lösung.
Schmidt machte am Sonntag bereits Hoffnung. Auf Twitter attestierte er dem neuen Gutachten eine „sehr hohe Wahrscheinlichkeit der Umsetzbarkeit“. Ebenso erwähnte er „Unterstützungsangebote von Dritten“; womöglich ist damit die Einbindung von Genossenschaften gemeint. Bereits an diesem Dienstag will Finanzsenator Kollatz entscheiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!