Protest der Elbfischer: Karussel bei Tonne 38
Fischer und Naturschützer demonstrierten am Samstag mit mehr als 40 Kuttern auf der Elbe gegen ein weiteres Ausbaggern der Fahrrinne - und brachten Super-Container zum Halten.
CUXHAVEN taz | Um 12.43 Uhr machen am Samstag mehr als 40 Fischkutter-Besatzungen und -familien damit ernst, was ihre Londoner Anwältin Roda Verheyern und ihr Hamburger Kollege Michael Günther dem Wasser- und Schifffahrtsamt in Hamburg prophezeit haben: Die Elbfischer seien „sehr konfliktbereit“, wenn es um ihre Existenz und gegen die Elbvertiefung ginge. In der Tat machen die Elbfischer mobil und fahren mit ihren Schiffen zur Demonstration auf den Elbstrom hinaus.
Über den Lautsprecher an der Mole des Alten Fischereihafens in Cuxhaven neben den Fischbuden gibt es die letzten Instruktionen: Die „Goedike Michel“ bilde die Vorhut, dahinter reihen sich die Kutter zur Armada auf der Elbe ein, sagt ein Sprecher.
Dann geht es zwar gemächlich, aber doch konsequent zur Sache. Die Sicherheitsballons zwischen den Schiffen, die am Liegeplatz vor Beschädigungen schützen, sowie die Festmach-Taue werden eingeholt, die Kutter legen langsam ab und formieren sich. Viele haben Transparente in den Masten hängen. „Flußvertiefung, Offshorestrom, Nationalpark HH: 40 Prozent der Krabben in der EU sind von deutschen Kuttern. Wie lange noch?“ Der Kutter „Elvstint“ hat eine Flagge gehisst: „Elbvertiefung – wir wehren uns!“ Auf den Bannern der „Nix II“ und der „Cux 6“ steht: „Mord an der Natur, vom Gewissen keine Spur“. Und die „Neptun“ aus Bremen und die „Theodor Storm“ aus Büsum verlangen Konsequenzen: „Man soll die Herren richten, die unsere Existenz vernichten“.
Als letztes Anrainerland hat Niedersachsen im April der Elbvertiefung zugestimmt, damit Super-Containerschiffe mit 14,5 Metern Tiefgang den Hamburger Hafen ansteuern können.
Umsatzeinbußen von 15 Prozent prognostiziert den Krabbenfischern ein Gutachten der Beratungsgesellschaft für Fischerei und Aquakultur im Auftrag der Wasser- und Schifffahrtsämter.
Im Planfestellungsverfahren Elbvertiefung sehen die Elbfischer einen Verstoß gegen die Vereinbarung mit Hamburg und dem Bund von 1998, worin alle sich verpflichteten, die Fischerei "zu fördern".
Zuvor haben Vertreter der Fischer und der Naturschutzverbände auf einer Kundgebung gegen die Elbvertiefung gewettert. Bei einer erneuten Vertiefung der Fahrrinne für Super-Containerschiffe mit 14,5 Metern Tiefgang gebe es kaum noch Möglichkeiten, wegen der zerstörten Fangplätze und der verstärkten Strömung Krabben und Fische zu fangen. „Es wird dann nicht mehr machbar sein, dass man dort schifft“, sagt Hans-Robert Hinners, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Elbe-Weser-Fischer, auf der Kundgebung. „Wir haben Angst, unsere Arbeitsplätze zu verlieren.“
Die Anwälte der Fischer haben errechnet, dass 24 Krabben- und die fünf verbliebenen natur- und umweltschonenden Hamenfischereibetriebe in ihrer Existenz bedroht sind. „Wir setzen uns für eine ökologisch intakte Elbe ein, von der unter anderen die Fischbestände profitieren würden“, erklärt Bernd Quellmalz vom Naturschutzbund Nabu. „Für die Wiederansiedlung des Störs werden Hundertausende investiert und ein paar Kilometer weiter werden wertvolle junge Störe von den Baggern unkontrolliert geschreddert“, sagt Fischer Walter Zeeck.
Zeitgleich zur Kundgebung sorgt die Wählergemeinschaft „Die Cuxhavener“ für Aufsehen unter den Touristen am „Alte Liebe“-Anleger. Die Cuxhavener, die zusammen mit der SPD im Stadtrat die Mehrheit haben und laut Fraktionschef Rüdiger Kurmann gegen die Elbvertiefung klagen wollen, haben das Ausflugsschiff „Störtebeker“ gechartert, um ihre Solidarität zu bekunden. Direkt unter der Brücke prangt ein Banner: „Keine Elbvertiefung für die Pfeffersäcke“.
Als die Armada den Cuxhavener Hafen verlässt, hat der Kreuzer „Bürgermeister Brauer“ der Wasserschutzpolizei (Waschpo) Hamburg bereits die Fahrrinne gesperrt. Bei Tonne 38 macht der Kutter-Konvoi, der von Waschpo-Booten mit Blaulicht begleitet wird, dann ernst und quert die Fahrrinne, sodass ein Hyundai-Super-Container und die „Stuttgart Express“ der Hapag-Lloyd-Reederei auf den Weg nach Hamburg die Maschinen stoppen müssen und sich dann nur im Schneckentempo einen Weg durch die Kutter-Demo bahnen können. Gut eine Stunde kreist die Kutterdemo zwischen den Tonnen 38 und 36.
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