: Protektionismus
■ N O C O M M E N T
Die Weichen für einen internationalen Handelskrieg sind endgültig gestellt. Nachdem das neue US-Handelsgesetz bereits vor einigen Wochen mit großer Mehrheit vom Repräsentantenhaus verabschiedet wurde, konnte es jetzt auch den von den Demokraten dominierten Senat passieren. Das mehr als 1.100 Seiten umfassende Gesetz, an dem drei Jahre gefeilt wurde, soll Handhabe bieten, um die schlimmsten Konsequenzen der Reaganschen Wirtschaftspolitik in den Griff zu kriegen. Insbesondere soll es dazu dienen, die seit Jahren anhaltenden Defizite der US-amerikanischen Handelsbilanz abzubauen - selbstverständlich zu Lasten der Ökonomien, die hohe Überschüsse im Handel mit den USA erzielen.
Rein formal betrachtet stellt das neue Handelsgesetz eine flagrante Verletzung der Regeln des General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) dar. Zur Ausmistung des Augias -Stalles werden der nächsten US-Regierung nämlich Möglichkeiten eingeräumt, einseitige Sanktionen gegen andere Handelspartner zu erheben. In Zukunft wird es genügen, daß die US-Regierung „einseitig unfaire Handelspraktiken“ konstatiert, um dann umgehend „Vergeltungsmaßnahmen“ einleiten zu können. Exporte aus Japan, den südostasiatischen und lateinamerikanischen Schwellenländern, aber auch aus einigen EG-Ländern in die USA können mengenmäßig begrenzt werden, wenn die USA ein Preisdumping vermuten. Weil eine solche Behauptung einseitig ausgesprochen werden kann und nicht nachweispflichtig ist, ist fürderhin der Willkür Tür und Tor geöffnet. Darüberhinaus können jetzt Sanktionen gegen solche ausländischen Unternehmen verhängt werden, die gegen das US -amerikanische Exportkontrollgesetz oder die COCOM-Regeln verstoßen.
Protest gegen das Protektionismusgesetz kam bereits aus Tokio und aus Seoul. Während der japanische Ministerpräsident Takeshita erklärte, alles tun zu wollen, um die Umsetzung des Gesetzes zu verhindern, kam aus Seoul der Appell an Präsident Reagan, das Gesetz nicht zu unterzeichnen. Nichts liegt Noch-Präsident Reagan allerdings ferner. Schließlich ist auch ihm klar, daß sein Wunschnachfolger Bush scharfe Waffen braucht, um das außenwirtschaftliche Desaster in Griff zu kriegen. Vorbehaltlose Zustimmung hat das Handelsgesetz auch bei dem demokratischen Vizepräsidentschaftskandidaten Lloyd Bentsen gefunden, der sich nicht scheute, die legislative Attacke auf den rhethorisch hochgehaltenen „freien Welthandel“ als wichtigstes Wirtschaftsgesetz der USA seit 60 Jahren zu bezeichnen. Wenn Demokraten und Republikaner an einem Strang ziehen, heißt es für den großen Rest der kapitalistischen Weltwirtschaft, sich warm anzuziehen.
Kurt Zausel
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