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Prosteste gegen Vattenfall und Eon"Eon: ekelhaft, obszön, niederträchtig"

Eine bunte Truppe von Kohlegegnern demonstriert in Jänschwalde und Hanau gegen die Pläne von Vattenfall und Eon. Die Menschen fordern: "Kohle nur noch zum Grillen".

Demonstranten in Hainburg bei Hanau auf dem Weg zu einer Protestveranstaltung gegen den Ausbau des vom Energiekonzern E.ON betriebenen Kohlekraftwerks Staudinger. Bild: dpa

"Was ist denn hier los?", fragt der Passant. "Demo", antwortet die Besitzerin vom "Top secret Tattoo"-Studio in Großauheim. Der Passant: "Echt? Bei uns?" Großauheim ist ein kleines Städchen, das zu Hanau eingemeindet wurde. "Es geht doch gegen den Staudinger", sagt die Studio-Besitzerin. Sie wäre ja auch mit demonstrieren gegangen, "wenn isch net grad Ladenzeit hätt".

Vielleicht 600 Menschen ziehen durch die Stadt: "Eon: ekelhaft, obszön, niederträchtig", "Moorburg ist überall" und "Stoppt Staudinger" steht auf ihren Transparenten. Deutschlands größter Stromkonzern möchte einen Kraftwerksblock durch einen 1.100-Megawatt-Giganten ersetzen. Eine Gruppe von Demonstranten trägt ein Betttuch mit der Aufschrift "Schweigen für das Klima". Dahinter brüllen Jugendliche: "Wir sind hier und wir sind laut, weil Eon uns die Zukunft klaut."

An der Limesbrücke über den Main vereinigt sich der Zug aus Großauheim mit dem aus Großkrozenburg. Leider ist der Großkrotzenburger Zug kleiner, vielleicht 400 Menschen haben sich getroffen. Vereint geht es am Kraftwerk vorbei. Eon hat ein riesiges Plakat aufgehanden: "Menschen versorgen, Umwelt entlasten, Zukunft sicher" steht darauf. Auf dem Firmengelände und auf dem Main patrouilliert die Polizei.

Gegenüber liegt die Protestwiese: Die Klima-Allianz, ein Zusammenschluss aus 100 Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, Kirchen und Gewerkschaften, hat zum Protest aufgerufen. "5.000 Demonstranten sind das Ziel", hat das Bündnis im Vorfeld ausgegeben. Vielleicht 2.000 sind schon auf der Wiese, als der Zug aus Großauheim und Großkrotzenburg eintrifft. "Das ist die größte Anti-Kohle-Demo in der Geschichte der Bundesrepublik", ruft die Moderatorin den Demonstranten zu: "über 5.000 hier und 1.100 Menschen zeitgleich in Jänschwalde."

Dort haben sich die Demonstranten auf dem Parkplatz vor dem Braunkohlekraftwerk versammelt. Auf den Transparenten steht: "Jugend braucht Kohle, aber kein Kraftwerk", "Kohle nur noch zum Grillen" oder "Kein Land für Kohle". Der Konzern Vattenfall und Brandenburgs Landesregierung wollen drei neue Kohletagebaue aufschließen.

Etliche Demonstrierende kommen aus den bedrohten Dörfern. "Wir sind Spielball der Politik", sagt Karl-Heinz Naumann aus Grabko. Vor genau einem Jahr erfuhr er, wie alle anderen Grabkoer, Kerkwitzer und Atterwascher aus dem Radio, dass ihre Dörfer Verhandlungsmasse zwischen Politik und Stromkonzern geworden sind. Die Grabkoer wussten, dass sie auf Kohle sitzen, meint Naumann, aber nachdem gesagt wurde, Horno sei das letzte Dorf, das abgebaggert werde, hätten sie wieder Mut gefasst. Hätten sich Existenzen und Häuser gebaut. "Und nun das", sagt der Grabkoer.

"Vattenfall tut so, als sei alles schon entschieden", entrüstet sich Elisabeth Schroedter, EU-Abgeordnete der Grünen. Dabei gibt es noch überhaupt keine rechtlichen Grundlagen für den Abbau. Und da dieses Mal, anders als bei den Beschlüssen zur Abbaggerung von Horno, EU-Recht gilt, hält sie es für ausgeschlossen, dass die neuen Tagebaue so wie geplant bewilligt werden.

René Schuster von der Grünen Liga hofft vor allem auf das Volksbegehren gegen die Tagebaue, das am 10. Oktober startet. Innerhalb von vier Monaten müssen sich 80.000 Menschen bei den Meldeämtern in die Listen für das Volksbegehren eintragen.

Sowohl in Jänschwalde als auch am Staudinger lassen sich die Demonstranten in drei Gruppen aufteilen. 40 Prozent von ihnen sind direkt Betroffene. "Wenn du hier lebst, kennst du keinen Sommer, sondern immer nur Wolken, Wolken, Wolken aus den Kraftwerksschloten", sagt die Schülerin Melanie Viel. Die zweite Gruppe des Protestes - vielleicht auch 40 Prozent - engagiert sich "berufsmäßig", was Fahnen der Bündnisgrünen und des BUND, der SPD und des DGB, von Linken und Greenpeace belegen.

Die dritte Gruppe schließlich kommt aus Solidarität - aus München, Aachen, Kassel oder Berlin. Kerstin Höpner-Miech etwa, eine Pfarrerin, ist aus Mühlberg an der Elbe nach Jänschwalde gekommen: "Wenn wir uns heute nicht gegen die Kohle zur Wehr setzen, können wir morgen unsere Klimaziele nicht schaffen."

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12 Kommentare

 / 
  • BG
    Bürger G.

    @Bark Wind: "Sinn für Demokratie ist etwas anderes"...genau: 65% der Deutschen sind für Kernenergie! Also, weg mit dem Ausstieg! :-)

     

    Übrigens: Überleg mal welche Behauptungen Du da anstellst, deine ganzen Vergleiche sind völligst an den Haaren herbeigezogen und falsch.... Hauptsache deine kleingeistige Welt ist schön Schwarzundweiß, die einen sind die bösen und die anderen also man selbst ist der gute....alles klar ;-)

     

    ...bin weg

  • E
    emil

    Grillen könnte übrigens auch mit Solargrill passieren. z. B. im Prinzip so wie hier dargestellt: http://de.wikipedia.org/wiki/Solarkocher - nur dann statt des runden Hohlspiegels eine Parabolrinne und den Spieß mit dem Grillzeugs in die Brennachse (und dann natürlich drehen wie auch sonst), also im Prinzip ähnlich wie die größeren Papabolrinnenkraftwerke von Ausra etc.

    Ganz besonder interssant wäre das natürlich als recht preiswerte und dabei höchst effektive Methode für Regionen wie Afrika oder Indien oder Südamerika. Es würde sowohl mühsames Brennholzsammeln sparen, als auch die Entwaldung + + Bodenaustrocknung + Erosion bremsen, und den Verbrauch von Benzin etc verringern, auch in den Städten. Nachmittagss kann auch vorgebraten oder gekocht werden, was dann Abends mit nur noch wenig Energie zu Ende gekocht/gebraten werden müsste. Jede Schule von Südspanien bis Südafrika und ähnlichen Breitengraden könnte z.B. solche Teile haben (evtl. auf den oft flachen Dächern oder in einem Hof). Das zu fördern wäre eine riesig sinnvolle Entwicklungshilfe. Und weil ich schon von dezentralen Lösungen spreche: Wie ich glaube es war bernie w. an anderer stelle schon mal erwähnt hat, auch kleine windräder können für die zukunft sehr viel beitragen, anders als die hersteller großer räder manchmal erzählen,

    vgl. z. B.: http://www.awea.org/smallwind

  • BW
    Bark Wind

    Dass große Energieunternehmen aufgrund Ihrer Machtstellung auch noch die Entwicklung und Erforschung von EE weitgehend in der Hand haben, ist einer der Gründe, weshalb diese nicht seit Jahren viel schneller vorankommt.

     

    Dass sie ja ach so viel Mrd dahinein stecken, ist reine Gewinnkalkulation, und kein Akt des Wohlwollens. Das ist auch so ungefähr, wie wenn ein Ausbeuter, der durch direkte u. indirekte Gewinnabschöpfung der Arbeit anderer Leute reich geworden ist, mit großzügiger Charity prahlt.

     

    P.S: Wer ständig zu Propagandamittlen greift, wie die Bezeichnung als "Rattenfänger" (ein gewisser Bürger mag das offenbar sehr), hat vielleicht Ahnung von Märchen und Manipulation, von Demagogie, aber ein Sinn für Demokratie ist etwas anderes.

  • G
    Griller

    @M.H. - es wurde diesmal wirklich nur vegetarisch (sogar streng vegetarisch) gegrillt und

    @SMT: keine Angst, niemand ist mit seinem BMW zur Demo gefahren sondern fast alle mit dem Zug und ein paar mit dem Fahrrad..

     

    http://kohle-nur-noch-zum-grillen.de/

  • I
    Ingo

    @Armin: keine Angst um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das ist das letzte wo vor man Angst haben sollte. Schließlich ist die Machtkonzentration, der Konzerne so gefestigt, dass die Interessen der Wirtschaft auf jeden Fall berücksichtigt werden.

     

    Eine Konsumgesellschaft, die so stark wächst, dass sie mehr Ressourcen verbraucht als vorhanden sind, kann niemand ernsthaft wollen.

  • BG
    Bürger G.

    ....und die Rattenfänger ziehen weiter: in Ensdorf im Saarland sind die Bürger schon böse erwacht und merken, was sie angerichtet haben, als sie dem Neubau widersprochen haben....

     

    @Bark Wind: ich sage nur: GRUNDRECHENARTEN funtionieren hier nicht!

     

    @sas: "Aber dafür muss jetzt endlich gehandelt werden!" Es wird doch gehandelt: Die EE werden mit über

    100.000.000.000 €

    subventioniert: Zahlen darf das der Otto-Normal-Verbraucher, der sowieso recht "klamm" ist....DANKE DAFÜR, für die paar kWh im Jahr...

     

    E.ON und RWE investieren übrigens mehrere Mrd-Beträge jedes Jahr in EE.... nur so neben bei!

  • S
    sas

    Mit einem vernünftigen Mix aus erneuerbaren Energien können wir den Ausstieg aus Kohle und Atom schaffen. Aber dafür muss jetzt endlich gehandelt werden! Die Weichen werden jetzt gestellt, in neue Kohlekraftwerke zu investieren ist der falsche Weg. Denn er führt direkt in den Klimawandel, der bereits jetzt nur noch mit großen Anstrengungen aufzuhalten ist.

     

    Kohle also nur noch zum Grillen - wenn Tofuwürstchen gegrillt werden bin ich gern dabei, ist doch lecker!

  • BW
    Bark Wind

    Ja, Eon & Co. sind Sand im Getriebe eines vernünftigen und humanen Fortschritts im Energiebereich, vgl. dazu auch:

    http://www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/kommentarseite/1/atomkraft-nicht-schon-wieder/kommentare/1/1/

    Wer lieber energiepolitisch weniger von Importen abhängig sein möchte (und dafür auch ein bissche mehr zu zahlen bereit wäre), der/dem sei beruhigend gesagt:

     

    In Hunsrück, Taunus, Eifel, Harz, Schwarzwald, Bayerischer Wald, Oberpfälzer Wald und Erzgebirge könnten - bei einer Windraddichte von weniger als nur 4 je km2 - zusammen mehr als 64.000 Windräder mit einer Gesamtnennleistung von mehr als 70.000 MW stehen, also bei nur 40% Auslastung immer noch 28.000 MW.

  • AQ
    Armin Quentmeier

    Naive Demonstranten- Möchtegern - Klimaretter gegen den Wirtschaftsstandort Deutschland

     

    „Kohle nur noch zum Grillen“ – solche Parolen können wohl nur von Leuten kommen, die keinen blassen Schimmer haben, wie ein moderner Industriestaat wie Deutschland mit Strom versorgt wird. Bundesweit werden 44% des benötigten Stroms in Braun- und Steinkohlekraftwerken erzeugt, dazu kommen 27% aus Kernenergie und 12% aus Erdgas, macht zusammen 83%. Viele Kohlekraftwerke sind über dreißig Jahre und somit auf dem Stand der 70er Jahre. Der Wirkungsgrad dieser Anlagen ist deutlich geringer als gegenwärtig technisch möglich. Es ist daher dringend geboten, neue Kohlekraftwerke zu bauen und die älteren Anlagen vom Netz zu nehmen. Kohlekraftwerke sind keine Umwelt- verschmutzenden Monster, sondern Anlagen, die zur Sicherheit der Stromversorgung gerade für die Grundlast unverzichtbar sind.

    Wer glaubt, die Stromversorgung mit Windkraftwerken zu sichern, möge sich bitte einmal die Windgeschwindigkeiten für einen Monat oder ein Jahr von einer örtlichen Wetterstation anzeigen lassen oder alternativ die Leistungsabgabe von einzelnen Windrädern betrachten: Im Binnenland werden nur während 10% der Laufzeit die maximale Leistungsabgabe erreicht, an der Küste zu etwa 25%. Um ein einziges Kohlekraftwerk wie das Staudinger - Kraftwerk mit 1100 MW Leistung durch Windräder zu ersetzen, müßten 1100 Windkraft-Monster mit 1 MW erbaut werden (jedes über 100 m hoch!), wenn der Wind ständig mit voller Leistung weht. Da er das bekanntlich nicht tut, müßten es, gemessen an der abgegeben Leistung, ca. 5000 (in Worten: fünftausend!!) Windräder sein. Selbst diese unglaubliche Zahl würde nicht ausreichen, um ein einziges Kohlekraftwerk zu ersetzen, weil es oft genug totale Flaute gibt oder gelegentlich Sturm aufkommt – dann müssen die Windräder abgeschaltet werden. Warum hat wohl die Menschheit das Dampfschiff erfunden, anstatt mit den umweltfreundlichen Segelschiffen Waren aller Art zu transportieren?

    „Wenn du hier lebst, kennst du keinen Sommer, sondern immer nur Wolken, Wolken, Wolken aus den Kraftwerksschloten". Die Wolken kommen nicht aus den Kraftwerksschloten, sondern aus den Kühltürmen – es handelt sich um reinen Wasserdampf!

  • S
    SMT

    @ M.H.

     

    Och kommen Sie! Öko sein muss auch cool sein! Wer will schon, nur weil er "in" und Öko sein will, gerne auf das allwochenendliche Steakgrillen verzichten? Freitag nachmittag, nach der Arbeit in der Werbeagentur, schnell mit dem BMW zu BASIC gebraust, ordentlich Biosteak, Biokippen und Bionade eingepackt und ab in den den Stadtpark! "ich bin jetzt auch voll Öko, ich tanke nur noch sprit aus kontrolliert biologischen anbau von Zuckerrohrfeldern die in handarbeit von Brasilianischen Arbeitern in den regenwald geschlagen wurdern!"

     

    passend dazu, das wort des Kommentars: "erlogen"

     

    ...

  • M
    M.H.

    Der Slogan ist nicht sonderlich gut gewählt: "Kohle nur noch zum Grillen"- hab in Berlin Leute gesehen die vor dem Slogan Würstchen gegrillt haben...bitte (ernsthaft) nur Gemüse und Tofuwürstchen - ansonsten produziert man nämlich echte Zukunftskiller und läuft Gefahr nur ein wenig öko conciousness zu heucheln...

  • V
    vic

    Es ist nicht EON alleine, es ist die IGR, die Interessen-Gemeinschaft Regierung, die das

    wider alle Vernunft zulässt.