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Propaganda statt ErinnerungChina will "Befreiung" Tibets feiern

Peking kündigt einen "Feiertag der Befreiung aus der Leibeigenschaft" der Tibeter vor 50 Jahren an. Sie will dem Gedenken der Tibeter ihre eigene Geschichtsdeutung entgegensetzen.

Zwang statt Freiheit: Peking will auch die Köpfe der Tibeter besetzen. Bild: ap

Der Propagandakampf um Tibet erhält eine neue Wendung: Die Pekinger Regierung will einen offiziellen Feiertag schaffen, den Tag der "Befreiung der tibetischen Leibeigenen". Er soll künftig im März begangen werden. Der exakte Termin ist noch unklar, er soll von dem ab diesem Mittwoch bis nächsten Montag tagenden tibetischen Volkskongress, dem örtlichen Pseudoparlament in Lhasa, bestimmt werden.

Der geplante Gedenktag soll "alle Chinesen, einschließlich der Tibeter, an die historischen demokratischen Reformen erinnern, die vor fünfzig Jahren begannen", erklärte ein hoher Vertreter des Volkskongresses, Pang Boyong, gegenüber der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua. "Seit jener Zeit sind aus Millionen von Sklaven, die unter der feudalen Leibeigenschaft lebten, ihre eigenen Herren geworden."

Damit versucht die Regierung offenkundig, die Erinnerung an andere, weniger erfreuliche Ereignisse zu verdrängen: Denn im März ist das politische Klima in der Himalaja-Region stets besonders angespannt: Im März 1959, während eines Aufstands der Tibeter gegen die Herrschaft der chinesischen Armee, floh der Dalai Lama ins indische Exil. Im März 1989 schoss das Militär in der tibetischen Hauptstadt auf protestierende Mönche und Nonnen, die für Religionsfreiheit und die Rückkehr des Dalai Lama demonstrierten. Und im vergangenen Jahr schlugen die zunächst friedlichen Proteste von Mönchen in gewaltsame Unruhen um: Hunderte Tibeter griffen am 14. März Zuwanderer aus anderen chinesischen Regionen an. Sie zerstörten Geschäfte und setzten viele Gebäude in Brand. Etwa 20 Menschen kamen ums Leben.

Seither sind nach Angaben von Bürgerrechtlern und Exilorganisationen Hunderte Tibeter verhaftet und zum Teil zu hohen Haftstrafen verurteilt worden. Bis in die Klöster hinein hat die Bewaffnete Polizei, die der Armee untersteht, die Lage fest im Griff. Mönche und Nonnen werden bei politischen Schulungen gezwungen, sich gegen den Dalai Lama zu stellen.

Peking wirft ihm und den Exilorganisationen seit Jahren vor, sie wollten die Tibeter und die Welt betrügen: Unter dem Deckmantel der religiösen und kulturellen Autonomie planten sie in Wahrheit die Unabhängigkeit Tibets. Sie wollten zum alten System der Klosterherrschaft und des Leibeigentums zurückkehren. Die chinesische Armee, Partei und Regierung beschützten die Tibeter vor der "reaktionären und spalterischen Clique um den Dalai Lama", heißt es in Peking.

Eine Lösung des Konfliktes ist nicht in Sicht. In der Volksrepublik ist es derzeit nicht möglich, sich über die Lage im "Land des Schnees" frei zu informieren und offen über die Geschichte Tibets zu debattieren. Die Wahrheit ist kompliziert: Tatsächlich feierten nach dem Einmarsch der Chinesen 1950 viele Tibeter die Befreiung der Ärmsten aus der Leibeigenschaft. Zur Wahrheit gehören aber auch das Leid der gewaltsamen Kollektivierung, die Ermordung von Tausenden Tibetern und die Zerstörung fast aller Klöster in verschiedenen politischen Kampagnen, die von den Fünfziger- bis in die Siebzigerjahre andauerten. In chinesischen Schulbüchern ist von diesem Teil der Geschichte wenig zu lesen.

Der neue Gedenktag dürfte deshalb den Zorn vieler Tibeter noch verschärfen, wenn sie gezwungen sein sollten, ihn nach den Vorgaben Pekings zu feiern.

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3 Kommentare

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  • DA
    Der Aufschrei der Kollektivmenschen

    Es ist immer wieder erstaunlich, wie einige Menschen immer im Namen des tibetischen Volkes zu sprechen kommen.

     

    Der Mensch wird nackt seiner Mutter geboren. Die Formluierung Volk, Klasse, Ethnie und Clan sind machtförmige Verdrehungen und Vernebelungen durch Anführerinteressen und Honoratioren.

     

    Die völkischen Symbole sind Umdeutungen und Konstruktionen gewandter Intellektueller.

     

    Ich bin sicher, Tibet besteht eigentlich aus Einzelmenschen, die sehr gut wissen, wie man miteinander kooperiert, um seine Bedürfnisse zu erfüllen.

     

    Die meiste Zeit kommt Ihnen der Begriff Volk gar nicht in den Sinn, weil sie eigentlich in kleineren sozialen Gruppen leben sollten. Der völkische und rassische Wahn hat seinen Ursprung in Europa und wird von dort überall hintransportiert, durch seine Ideologien, seine Waffenexporte und seine militärischen Interventionen.

  • DK
    Dschingis Khan

    Wie auch in den chinesischen Schulbüchern werden die schrecklichen Verbrechen der Kulturrevolution, unter denen das tibetische Volk ganz besonders zu leiden hatte, einfach ausgeblendet. Zu keinem Zeitpunkt erfolgte auch nur im Ansatz ein Wort des Bedauerns an das tibetische Volk. Man hat diesem Volk alles genommen. Noch nicht einmal ihre Erinnerungen an die eigene Historie dürfen die Tibeter behalten.

     

    Dieser 'Feiertag' ist eine weitere Demütigung für das tibetische Volk. Ein Gedenktag wäre der Situation eher angemessen.

     

    Ich glaube nicht, dass die chin. Verantwortlichen diesen irrsinnigen Blödsinn wirklich selbst glauben. Es geht wohl eher darum, die Tibeter in der TAR zu provozieren. Erneute Gewalt käme den arroganten Parteikadern des Hardliner-Flügels wohl gerade recht. Das Ziel sind vermutlich 'buddhistische Terroristen', mit denen man dann im Namen von 'Recht und Ordnung' so richtig aufräumen könnte.

     

    Es ist wirklich schade, dass ein so faszinierendes Land wie China unter der Fuchtel von solchen Betonköpfen steht.

     

    "Man kann von einem Menschen physisch Besitz ergreifen, den Geist kann jedoch niemand beherrschen"

    (unbekannt)

     

    Die Menschen in Tibet werden sich sicher auf ihre Weise zu wehren wissen und diesen 'Feiertag' schlicht ignorieren.

     

    Dschingis Khan

  • N
    Nadi

    Wie grausam und zynisch, ein Volk erst zu überfallen, durch Unterdrückung und Ausbeutung zu Sklaven zu machen und dann einen Feiertag zur Befreiung aus der Leibeigenschaft einzuführen.

    Unfassbares Unrecht - wie lange noch?