: Promis-Gucken in Stahnsdorf
■ Potsdam hat Sanssouci - Stahnsdorf sein einzigartiges Friedhofsensemble / Nostalgiker entdecken die Totenäcker
Stahnsdorfs drei Friedhöfe - der vom Berliner Stadtsynodalverband verwaltete Südwestkirchhof sowie der Wilmersdorfer und Güterfelder Waldfriedhof - haben zusammen die Größe des Parks von Sanssouci in Potsdam. Wen wundert es, daß an den Wochenenden Hunderte Besucher, vorwiegend aus West-Berlin, in dieses einzigartige Ensemble von naturparkähnlichen Friedhöfen strömen. Im Mittelpunkt des Interesses steht nach wie vor der Stahnsdorfer Südwestkirchhof, auf dem mehr als 103.000 Menschen bestattet wurden. Zu den dort ruhenden Prominenten gehören Rudolf Breitscheid, Lovis Corinth, Heinrich Zille, Friedrich Wilhelm Murnau, Werner von Siemens, Gustav Langenscheidt, Engelbert Humperdinck und Graf Georg von Arco.
Der Wilmersdorfer und Güterfelder Waldfriedhof, in unmittelbarer Nähe gelegen, stellten dagegen bis zum 9. November vergangenen Jahres so etwas wie ein deutsch -deutsches Unikum dar. Diese Totenäcker befinden sich zwar auf DDR-Territorium, stehen aber unter Verwaltung des Westberliner Bezirks Wilmersdorf. Der in Stahnsdorf gelegene Wilmersdorfer Waldfriedhof wurde 1922 nach Plänen des Gartenarchitekten Erwin Barth (1880-1933) angelegt und umfaßt 70 Hektar. Auf ihm fanden bekannte Persönlichkeiten aus Berliner Kultur, Politik und Wissenschaft ihre Ruhe. Zu den hier Bestatteten gehören der Bildhauer Hugo Lederer (1971-1940) und der Komponist Emil Nikolaus von Reznicek.
Nach dem Mauerbau wurden hier alljährlich nur noch zwei bis drei Westberliner und Bundesbürger sowie zehn bis fünfzehn DDR-Bürger bestattet. Westberliner wählten das Gelände nur noch selten, da den Angehörigen der Weg zum Grab zu umständlich war. Zu den Arbeiten der Friedhofsangestellten gehören die Erhaltung der Anlagen, 750 Grabpflegeaufträge und die Betreuung von 3.440 Kriegsgräbern. Die Hälfte des Geländes wird derzeit zudem land- und forstwirtschaftlich genutzt.
Rechts neben der Straße von Teltow nach Potsdam befindet sich schließlich der Güterfelder Waldfriedhof. Er ist zwölf Hektar groß und wurde 1913 als Friedhof der Gemeinde Friedenau fertiggestellt. Später gelangte er zum Stadtbezirk Wilmersdorf. Zwischen dem Bahnhof Stahnsdorf, der Endstation der „Leichenbahn“, und dem Friedhof fuhr ein Pferdeomnibus. Auf dem Güterfelder Friedhof fanden 1.389 sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, 101 polnische, vier jugoslawische, zwei italienische und ein tschechischer Zwangsarbeiter ihre letzte Ruhestätte. Ebenso gibt es eine Gedenkstätte für 1.060 ermordete Häftlinge des KZs Sachsenhausen und des KZs Wewelsburg.
Kärstin Weirauch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen