Projekt gegen Diskriminierung: Ampelmännchen in Love
Statt eines einsamen Single-Männchens leuchten nun schwule und lesbische Pärchen mit Herzchen an zwei Ampeln in Hamburg – für mehr Toleranz.
Ist das nicht ein bisschen viel verlangt – von einem Wechsellichtzeichen? Die grüne Wissenschaftssenatorin und Landesvorsitzende Katharina Fegebank glaubt das nicht: Der Versuch werde ernst genommen, sagte sie. Gut ein Dutzend JournalistInnen beobachten den Mitarbeiter der Hamburger Verkehrsanlagen, der in neongelber Warnweste auf eine Leiter klettert und mit einem Schraubenzieher die alten Ampelplatten aus der Fassung hebelt.
Als anstelle der gewohnten Hetero-Männchen schließlich Homo-Paare in rotem und grünem Licht aufleuchten, strahlen die beiden SenatorInnen Fegebank und Frank Horch (parteilos) mit ihnen um die Wette. Mitten auf der Straße posieren sie – ungeachtet der Ampelphasen – bis die Autoschlange sich hupend freie Durchfahrt verschafft und die stolzen SenatorInnen damit zurück auf den Bürgersteig treibt.
Ob die Ampel auf Dauer schwul-lesbisch-verliebt bleibt, ist noch unklar. Bis zum Christopher Street Day (CSD), der Ende Juli in Hamburg stattfindet und traditionsgemäß in St. Georg startet, soll die Ampel bleiben. Danach müsse man weiter sehen: „Es handelt sich um einen Testballon“, sagt Fegebank.
Wie aber misst man den Erfolg einer Ampel? Auch darauf hat die grüne Senatorin eine Antwort: Wenn viele Leute Selfies mit der Ampel machen, sei das ein Zeichen für eine gute Resonanz, sagt sie. Fegebank selbst sei so auf die Vielfalts-Ampeln aufmerksam geworden. Während des CSDs in Wien hätten Bekannte von ihr ständig Selfies mit den Pärchen-Ampeln in sozialen Netzwerke gepostet.
In Wien leuchten bereits 50 Ampeln mit Pärchen statt Einzelmännchen. Darunter sind auch Hetero-Paare. In Hamburg sei man „hanseatisch-zurückhaltender“, glaubt Fegebank. Doch die Stelle tue keinem weh, fügt Horch hinzu.
Das stimmt – tatsächlich kommen nicht besonders viele FußgängerInnen an der Straßenecke vorbei. Genau genommen keineR. Das könnte aber auch mit der JournalistInnen-Schar zusammenhängen, die die Ampel belagert und PassantInnen mit Kameras und Mikros aufzulauern versucht, um ihre Meinung zum Thema zu erfragen.
Interviews geben muss ersatzweise der Verkehrsanlagen-Mitarbeiter, der die Homo-Pärchen montiert hatte. „Es ist eher ein PR-Gag“, findet er. Der ganze Trubel zeige eher, dass Homosexualität noch nicht als normal anerkannt wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen