piwik no script img

Projekt Stuttgart 21Startschuss für Milliarden-Graben

Stuttgarts neuer Bahnhof wird teuer und bringt dem Kunden wenig. Dennoch dürften der Bund und Baden-Württemberg am Donnerstag den Bau beschließen.

Schöner, neuer Bahnhof: Bloß, wer soll das bezahlen? Bild: dpa

Seit gut 12 Jahren wird darum gerungen - am Donnerstag dürfte der Startschuss für das umstrittene Bahnprojekt "Stuttgart 21" fallen. Bereits seit dem Wochenende verhandeln Vertreter der Landesregierung und des Bundesverkehrsministeriums über die Finanzierung, jetzt sollen die Chefs das Projekt in trockene Tücher bringen. Denn die Zeit drängt. Am Freitag müssen die Förderanträge bei der Europäischen Union vorliegen. Und die erhofften 450 Millionen Euro aus Brüssel sind zur Realisierung des Bahnhofs und der dazugehörigen Trassenbauten dringend notwendig

Allein 2,8 Milliarden Euro sollen in Stuttgarts Innenstadt vergraben werden. Weitere zwei Milliarden sind für die Neubaustrecke nach Ulm veranschlagt. Dafür soll die Zugfahrt nach München um 26 Minuten schneller werden. Und Stuttgart einen neuen unterirdischen Bahnhof bekommen. Die Idee dazu stammt aus der Zeit kurz nach der Bahnreform, als Heinz Dürr das frisch entschuldete Unternehmen leitete. Der damalige DB-Chef schwärmte von Bahnhöfen als den Kathedralen des 21. Jahrhunderts - Geld spielte keine Rolle. "Stuttgart 21" war eines der Lieblingsprojekte des Schwaben. Auch Bürgermeister Manfred Rommel und Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel waren begeistert, versprach die Verlegung in den Untergrund doch neue Flächen in Stuttgarts Innenstadt.

Dass dafür Investoren zu finden aber gar nicht so einfach ist, wurde bereits deutlich, nachdem die DB ihren Stuttgarter Stückgutbahnhof geschlossen hatte. Weil sie keine Interessenten für das Areal fand, kaufte die Stadt der DB das Gelände für 460 Millionen Euro ab - und trägt nun das Vermarktungsrisiko. Doch ihr Credo ist nach wie vor ungebrochen: Wenn erst einmal alles fertig ist, entsteht ein neues Zentrum, in dem 11.000 Menschen wohnen und 24.000 arbeiten werden.

Aber das Projekt ist umstritten. Der Zeitgewinn von 26 Minuten, der Reisenden nach München versprochen wird, entsteht fast vollständig durch den schon seit langem geplanten Ausbau des Gleisabschnitts zwischen Wendlingen und Ulm. Der Bahnhofsumbau trägt dagegen schätzungsweise nur zwei bis drei Minuten zur Fahrtzeitverkürzung bei. Und diesen Zeitgewinn frißt der künftige Halt am Flughafen wieder auf.

Werner Korn, Landesgeschäftsführer des ökologisch ausgerichteten Verkehrsclub Deutschlands (VCD) weist außerdem darauf hin, dass die Zugangstunnel wie Nadelöhre wirken und deshalb permanent die Pünktlichkeit gefährden. "Da muss nur mal eine Bremse überhitzen und schon ist die ganze Strecke für lange Zeit dicht."

Hinzu kommt die unklare Finanzierung: Viele Experten gehen davon aus, dass die bisher veranschlagten Gesamtkosten mit Sicherheit überschritten werden. Denn auch diese Strecke soll über 29 Kilometer und damit fast zur Hälfte durch Tunnel verlaufen - und das in einem geologisch ausgesprochen schwierigen Gelände. Verkehrsexperte Karlheinz Rößler aus München weist darauf hin, dass der Untergrund der Schwäbischen Alb überwiegend aus Karstgestein mit zahlreichen Hohlräumen besteht, die teilweise sogar mit Wasser gefüllt sind. Hier sind viele böse Überraschungen zu erwarten. Wer das finanzielle Risiko trägt, soll bei den abschließenden Verhandlungen zwischen Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) und Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) geklärt werden.

Doch selbst die veranschlagten Kosten sind noch nicht gegenfinanziert. Bundesverkehrsminister Tiefensee will für die ICE-Neubaustrecke nach Ulm frühestens in zehn Jahren Geld aus der Bundeskasse geben. Nun will sich Baden-Württemberg an den Baukosten des Bundesprojekts beteiligen. Von bis zu 700 Millionen Euro war zwischenzeitlich die Rede. Ob Geld aus Brüssel kommt, ist noch unklar. Der pensionierte DB-Ingenieur Sven Andersen weist darauf hin, dass die Pläne sehr wahrscheinlich nicht mit EU-Vorgaben für Schnellverkehrsstrecken kompatibel sind. Auf 16 Kilometern müssen die Züge auf der geplanten Trasse eine Steigung von 24,4 Promille überwinden; die EU schreibt vor, dass auf 10 Kilometern maximal 25 Promille zulässig sind. So sollen die Züge die Erhebung mit Schwung überwinden und keine zusätzliche Energie verbrauchen.

Doch selbst wenn die Finanzierung zustande kommt: Für die Pendler wird das alles kein gutes Geschäft: Wettbewerber der Deutschen Bahn haben in Baden-Württemberg fast keine Chance mehr, weil die Landesregierung sich mit einem "großen Verkehrsvertrag" die Unterstützung des Projektes durch die DB gesichert hat, der dem Konzern über ein Jahrzehnt eine Monopolstellung im Regionalverkehr einräumt. Zudem wurden in Baden-Württemberg in diesem Jahr bereits 2,2 Millionen Zugkilometer aus den Fahrplänen gestrichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • RW
    Robert Will

    Also mich freut die Entscheidung Stuttgart21 zu bauen, weil ich feste glaube nach der Fertigstellung die Vorteile überwiegen werden. Beim Fahrzeitgewinn sollte nicht nur der Strecken Abschnitt zwischen Stuttgart und Ulm gesehen werden, sondern die gesamte Zeitersparnis durch die Hochgeschwindigkeitsnetze, wenn ich zum Beispiel von Köln oder Paris nach München fahre. Oder wollen die Kritiker lieber, dass die Menschen fliegen. Freilich wird der neue Bahnhof von Stuttgart nicht billig und der Bau eine große Belastung für die Einwohner werden, doch die Bauphase wird auch vorbei gehen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist auch sicher nicht falsch, wenn der Staat in solchem Maß investiert. Der nächste Schritt muss es jetzt sein die regionalen Bahnstrecken in Baden-Württemberg zu stärken.

  • FM
    Friedhelm Meklenburg

    Monster"wahn" statt vernüftige Bahn...

     

    was könnte man mit dieser gigantischen Geldsumme alles tun: in die Infrastruktur (Gleise !) investieren, konkurrenzfähige oder bessere Angebote als Alternative zum Fliegen anbieten, den Nahverkehr verbessern - kurzum die Bahn attraktiver machen und ganz nebenbei noch eine beträchte Entlastung der Umwelt erreichen.

     

    Stattdessen müssen sich Profilierungssüchtige ein Denkmal setzen...

  • H
    HeiterUndGelassen

    Da geht es nicht um die Sache, sondern jemand verdient - vor Allem dann durch steigende Kosten.

    Die Bauunternehmen rechnen nämlich erstmal alles niedrig, um später per Nachtrag abzusahnen.

    Typisch schwäbisch - auch dass niemand wirklich protestiert - sind halt alle aufs eigene Häuschen fixiert. (Gut dass ich nicht mehr in S bin, hebt das Glücksniveau sehr)

  • LL
    Lehrer Lempel

    Was mich am meisten stört, ist dass das Land BW hier in ein unnötiges Milliarden-Grab investiert, anstatt in die Zukunft, sprich die Betreuung und Bildung seiner Kinder.

    Nur ein Beispiel für die gnadenlose Sparpolitik der Regierung Oettinger: Zur Zeit arbeiten die neuen Referendare an den Schulen je nach Schulart mindestens eine Deputatsstunde mehr, damit keine neuen Lehrerstellen besetzt werden müssen.

    Sie sind also dazu gezwungen, durch ihre Mehrarbeit die eigenen Berufschancen nach Ende der Ausbildung zu schmälern.

    Die einzige Schulreform, die wirklich etwas bringen würde, ist die Verkleinerung der Klassen, also die Einstellung von mehr Lehrern.

    Die zweifellos notwendige Verkürzung der Fahrzeit Stuttgart-Ulm lässt sich bekanntermaßen bedeutend billiger verwirklichen.

    Mit dem Geld, das mit einer sinnvollen Lösung der Stuttgarter Verkehrsproblematik gespart werden kann, wäre es problemlos möglich, endlich die gespannte Lage an den Schulen zu verbessern. Es sollte nicht in einem solch überflüssigen und riskanten Prestigeprojekt vergraben werden, wie es derzeit in Planung ist.