Projekt Lernwerkstatt: Es sieht nur aus wie Spielen
Die "Lernwerkstatt" an einer Neuköllner Grundschule packt Schüler bei ihrer Experimentierfreude. Aber die Finanzierung des beliebten Projekts steht auf der Kippe.
Eine graue Plastikfolie flattert im sonnigen Himmel über der Neuköllner Hans-Fallada-Grundschule. Die Folie füllt sich mit Luft – und verwandelt sich in einen riesigen Schlauch. Hakan* und Justin, zwei Schüler der fünften und sechsten Klasse, schnüren die Enden zu und binden eine lange Schnur daran. Ein experimenteller Zeppelin ist entstanden. „Wir wollen herausfinden, ob er hochsteigt und was ihn treibt: der Wind oder die warme Luft“, erklärt Justin, hält die Spule fest und lässt den Schlauch nicht aus den Augen. Dutzende Kinder bewundern sein Werk.
Hakan und Justin gehören zur Forschergruppe der „Lernwerkstatt“. Das didaktische Projekt an der Schule, das die Methode des „entdeckenden Lernens“ vorantreiben soll, wird von Erziehern des Vereins LIFE e. V. geleitet. Regelmäßige Unterrichtseinheiten, aber auch Projektwochen für Schüler aller Jahrgangsstufen finden in dem 200-Quadratmeter-Raum mit den großen Fenstern statt. Er wurde im Frühjahr 2011 mit Geldern des Senats, des Bezirks und der Bundesregierung eingerichtet.
„Was oft wie Spiel aussieht, bringt den Kindern wissenschaftliches Denken bei“, sagt Leiterin Miriam Asmus. Schnüre, Pinzetten, Kabel, Pipetten, Pinsel und Farben, Linsen und Kristalle liegen in den Regalen der Lernwerkstatt und laden zu Experimenten ein. „Manche wollen wissen, wie ein Spiegel funktioniert, andere sind fasziniert von Kugelbahnen. Sie bauen und probieren so lange aus, bis es funktioniert“, erklärt Asmus.
Mit Mikroskop und Whiteboard
Die Werkstatt hat direkten Zugang zu Schulhof und Garten. Draußen, unter einem Baum, jubelt gerade eine Traube von Mädchen. Aylin und Lyli* führen ihre Schnecken spazieren. Immer eine nach der anderen, damit alle sie gut beobachten können. „Ich dachte eigentlich, Schnecken sind langweilig. Sind sie aber nicht“, sagt die Fünftklässlerin Aylin. Sie zählt die Kreise des Schneckenhauses, um das Alter des Tieres auszurechnen. Und sie schwärmt von der Schutzfunktion des Schleims, den es produziert. „Selbst auf einer Messerspitze kann sie sich nicht verletzen“, erklärt die Schülerin begeistert und geht zurück in die Werkstatt, um die Schneckenspur unter dem Mikroskop zu untersuchen. Anschließend wird sie das Erforschte auf einem Laptop dokumentieren und am „Whiteboard“ den anderen ihre Ergebnisse vorstellen.
Gerade Kindern mit geringeren Deutschkenntnissen kommt die unkonventionelle Lernform zugute: „Manche sagen im normalen Unterricht kein Wort, aber hier gehen sie auf“, berichtet Asmus. In der Lernwerkstatt seien Schüler verbal viel aktiver und stärker aufeinander angewiesen. Sie müssten gemeinsam Sachen ausprobieren und sich auf eine Vorgehensweise einigen, eigene Ideen ausformulieren und schließlich beschreiben, was sie gelernt haben. Eine Schülerin bringt das Wesen der Lernwerkstatt auf den Punkt: „Hier habe ich endlich gemerkt, dass Lernen auch Spaß machen kann.“
Finanziell gesichert ist der Betrieb der Lernwerkstatt durch den Verein nur noch bis zum Jahresende. Danach soll die Schule die pädagogische Arbeit allein tragen. Aber „ohne die fachkompetente Hilfe der Leiterinnen von LIFE wäre diese Unterrichtsform so nicht machbar“, gibt Schulleiter Carsten Paeprer zu bedenken. Und eine Person müsste sich ausschließlich um die Werkstatt kümmern. Beraten, planen, organisieren, Kontakte knüpfen – mit dem normalen Schultag sei das alles nur schwer kombinierbar, sagt Paeprer. Wenn Bezirk und Senat kein Einsehen haben, könnte der lehrreiche Spaß schon viel zu früh ein Ende haben.
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