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Prohibition in Baden-WürttembergKein Bier nach 22 Uhr

Die Regierung im Ländle verbietet Tankstellen und Spätverkäufen den nächtlichen Verkauf von Alkohol. Das Verbot soll angeblich die Jugend schützen.

Wenn das Alkohol-Regal leer bleibt: Adieu Tanke? Bild: ap

STUTTGART taz |In Berlin würden sie für so ein Gesetz vermutlich das Rote Rathaus niederbrennen. Diese Woche hat es der Landtag in Stuttgart verabschiedet: Es dürfen in Baden-Württemberg ab März nächsten Jahres Tankstellen und Spätverkauf zwischen 22 und 5 Uhr keinen Alkohol mehr verkaufen.

Schuld ist die Jugend. Die Sicherheit und Ordnung sei in Nachtstunden wegen "alkoholbeeinflusster Störungen" nicht mehr gewährleistet, analysierte die Landesregierung. Tankstellen würden zum Szenetreff von Jugendlichen, die "Alkoholmissbrauchsmuster" aufwiesen.

Man darf im Schwabenland trotzdem weiter nach Herzenslust picheln, muss künftig aber Gaststätten aufsuchen. Das geht dafür länger, an Wochenenden wird die Sperrstunde ab nächstem Jahr auf eine Stunde verkürzt. Kneipen dürfen weiterhin Alkohol zum Mitnehmen verkaufen. Eine weitere Alternative bieten Autobahnen. Die werden vom Bund betrieben, da gelte, so das Innenministerium in Stuttgart, folglich Bundesrecht. Also dürfen dort die Tankstellen weiterhin Schnaps, Wein und Bier feilbieten - auch zu Stunden, da an Landesstraßen Prohibition herrscht.

Wirtschaftlich trifft es die restlichen Tankstellen - der klassische "Späti" wie in Berlin ist im Südwesten so gut wie unbekannt. Alexander Heinze ist Pächter einer bisher einträglichen Aral-Tankstelle in Denkendorf, ein kleiner Ort im Speckgürtel um Stuttgart. Im Juli demonstrierte er noch mit 500 Kollegen in der Stadt gegen das Gesetz, ohne nennenswerte Resonanz. Er hat sich ausgerechnet, dass er mit dem Verkauf von alkoholischen Getränken nach 22 Uhr 13.500 Euro im Jahr Gewinn macht. 17.500 Euro kommen hinzu, weil, wer Bier kauft, auch Chips oder ähnliches essen will.

Zusammen macht das die Hälfte von Heinzes Gewinn aus. "Wenn das Gesetz was bringen würde, dann würden wir es mittragen. Aber die 16-Jährigen kaufen den Alkohol die Woche über und planen ihre Feten", sagt er.

Auch die Grünen im Landtag zweifeln an dem Gesetz und stimmten als einzige Partei dagegen. Ihr Landeschef Daniel Mouratidis bloggte erfolglos gegen die Regelung. Sie gehe an dem Problem vorbei, das unter anderem darin bestehe, dass der Jugendschutz nicht eingehalten wird. Dazu führt er das Statistische Landesamt an. Sinngemäß steht da, wer sich als Minderjähriger besaufen will, kann dies jederzeit tun.

Es besteht "kein nennenswerter Unterschied zwischen denen, die noch nicht dürfen und denen, die schon dürfen", schreibt das Amt. Das Problem müsse man daher vor Ort an den wirklichen Brennpunkten lösen, sagt Mouratidis. Einige Tankstellen hätten im Umkreis von Diskotheken den Alkoholverkauf bereits früher eingestellt.

Doch auch Innenminister Heribert Rech (CDU) räumt den Probecharakter des Gesetzes ein und sagt, das Grundproblem werde nicht gelöst, sondern die Polizei entlastet. Auch gilt es zunächst für drei Jahre und wird evaluiert. Zudem gibt es einen Paragrafen der verbietet, Alkohol so anzubieten, dass es zum Missbrauch anregt - eine Art Gummiparagraf gegen Flatrate-Partys. Auch ein Abgeordneter der FDP sagte im Innenausschuss, dass Problem sei nicht der Alkohol, sondern die Menschen, die ihn missbrauchen.

Es geht um Vorbilder, doch gerade die Politik ist in Baden-Württemberg keines. Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) lässt sich nicht mehr eben nüchtern mit einer selbst gebauten Teesieb-Brille oder beim Biertrinken aus einem Herrenschuh ablichten. Auch sonst erzählt man sich an der Basis der Parteien genug Geschichten über Dorf- und Stadtfeste, auf denen sich die lokale Parteiprominenz unter den Tisch bechert.

Was auch in Zukunft kein Problem sein wird. Das neue Gesetz sieht Ausnahmen vor. Wenn im Sommer landauf, landab bis in die Nacht Bierbänke in den Gassen stehen, beschallt vom Musikverein, gibt auch nach 22 Uhr kräftigen Ausschank. Ansonsten hätten sie vermutlich im Südwesten aus Zorn den Landtag niedergebrannt.

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23 Kommentare

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  • F
    fluffi

    its called PROHIBIOTION; PROHIBITION; - think about it.

  • MG
    Matisse Groening

    Hallo,

     

    also jetzt sind wir alle an dieses Alkoholverbot gewöhnt und es juckt nicht mehr. Man trifft sich dann halt im Supermarkt um 21:30. Man achtet mehr drauf wann es 22:00 Uhr wird. Das ist alles. Aber ich glaube man trinkt durchschnittlich etwa 1/4 mehr, denn man geht oft zurück im Laden und holt dann doch mehr. Vorhin wollte ich 2 Bier holen, bin runtergefahren, und habe 3 Bier genommen. Ich trinke wohl nur 2, aber habe eins mehr als ich wollte.

     

    Und man kauft weniger Fleischkäsebrötchen bzw. die Tankstelle ist nicht mehr so wichtig. Man kauft eher Pizza auf dem Weg zum Supermarkt. Wobei man hier eben am Pizza-Service vorbei kommt. Und die Tankstellen sind teilweise mit den Preisen hoch. Und die Angestellten in den Tankstellen, vor allem Frauen, finden das Gesetz toll. Ich schätze mal, dass dann in der Nachtschicht wirklich nichts mehr los ist. Und eben auch kein Ärger.

     

    Das Gesetz ist egal. Und man kann mehr für weniger Geld trinken. Man spart also. Und es hat nur noch eine Tankstelle nach 22:00 offen. Davor waren es 2.

  • MG
    Matisse Groening

    Hallo,

     

    also wir haben jetzt das Verbot seit März und die Kids haben Gummibärchen auf den Straßen verteilt. Gras gibt es also noch nach 22:00.

     

    Man hat jetzt einfach Vorräte im Keller und säuft noch viel mehr. Das ist Körperverletzung. Man hat jetzt immer Alkohol im Haus (oder im Keller).

     

    Also ich verlasse das Bundesland und fertig aus. Denn die ersten Tankstellen schließen nach gerade mal ein paar Wochen mit dem neuen 'Gesetz' jetzt um 22:00, weil es sich nicht mehr lohnt. Damit kann man auch keine Fleischkäsebrötchen oder sonst was mehr kaufen.

     

    Und die Arbeitsplätze sind denen egal.

  • V
    vic

    Was für eine selten dumme Idee.

    Dann gehen die Kids eben um 21.45h los und gehen erstmal einkaufen. Und zwar mehr als sie nach 22h gekauft hätten, damit´s auch reicht.

  • V
    vic

    @ Martin

    Genial:))

    Menschen verbieten!

  • M
    Martin

    Das was ihr mit den Autobahn Tankstellen schreibt ist Schwachsinn. Tankstellen an Autobahnen dürfen nachts (ich meine nach 22 Uhr) keinen Alkohol mehr verkaufen.

  • M
    Max

    Das ist doch dämlich -denn wozu sind Tankstellen da? Richtig - Luft fürs Fahrrad und Alkohol nach Ladenschluss.

  • M
    Martin

    Was für eine tiefgreifende Logik: 'ein Abgeordneter der FDP sagte im Innenausschuss, dass Problem sei nicht der Alkohol, sondern die Menschen, die ihn missbrauchen' - die gilt auch für sämtliche andere Drogen, Schußwaffen und Fahren ohne Führerschein. Mit anderen Worten: nicht die FDP ist das Problem, sondern die Menschen, die sie wählen.

  • U
    usus

    Was für ein Blösinn!

     

    Jeder holt sich doch den Alkohl dann vor 22 Uhr oder

    kauft auf Vorrat.

     

     

    Mal wieder ein Gesetz, das keinem nützt, aber Bürokratie schafft und andere wichtigere Gesetzte (siehe Kennzeichnung von Polizisten) bleiben auf der Strecke.

  • H
    Hagen

    Steckt vielleicht die Gaststätten-Lobby hinter dem Gesetz?

  • M
    Mino

    LOL, Politik und ihre Folgen sind in zunehmendem

    Maße nüchtern immer weniger erträglich.

    Folglich weitet man die Prohibition aus.....

     

    Klingt nach fortgeschrittener bewustloser "Mitte".

    Diese Droge ist gottseisgedankt nirgenswo erhältlich. Mit der wird man geboren und erzogen.

    Der Endzustand führt wahrscheinlichzu so etwas wie Pofalla,Kauder und ich weiß nicht zu noch was(-:

     

    Sorry. Schon allein das Wort Prohibition bringt mich zum Lachen.

  • A
    Anti-Antialkoholiker?!

    Ich habe gerade (02:35 Uhr) eine Flasche Whiskey hinter mir. Meine Frau hat den Stoff um ca. 21:00 Uhr gekauft und wollte ja mittrinken, ist dann aber doch eingeschlafen. Da dies bei uns eh nie später passiert, ist mir die Beschränkung ab 22:00 Uhr recht egal. Allerdings glaube ich nicht, dass diese Beschränkung nachhaltig wirksam ist. Aus frührer Erfahrung weiß ich, dass man sich darauf sehr gut einstellen kann und zwar durch Hamsterkäufe vor Zapfenstreich. Das bedeutet im Endeffekt, dass man sich zur Sicherheit meistens mehr kauft, als man im Endeffekt eigentlich trinken will. Wenn das Zeug dann aber eh schon da ist, trinkt man es auch. So trinkt man mehr, als man eigentlich wollte.

    Außerdem muss ich sagen, das ich erst kürzlich von diesem Vorhaben der BW-Landesregierung erfahren habe. Ich finde dies sowas von heuchlerisch. Wenn ich daran denke, dass vor einiger Zeit, meiner 14-jährigen Tochter auf einem Dorffest in Langenbeutingen (Landkreis Heilbronn, BW) soviel Alkohol ausgeschenkt wurde, dass wir sie volltrunken abholen mussten, rege ich mich heute noch riesig darüber auf. Wenn ich nicht da wohnen würde, hätte ich auf der Stelle die Polizei eingeschaltet.

    Wenn der Jugendschutz eingehalten würde, hätten wir solche großen Probleme sicher nicht.

     

    Übrigens das mit der Pulle Whiskey vom Anfang war nur ein Gag.

     

    Viele Grüße

  • T
    Thomas

    Also.... ich wär dafür, daß nach 22:00 Uhr kein Dope mehr an Tankstellen verkauft wird....!!!!!!

  • MB
    me / b-w

    Sowas denken sich Spießer aus,

    Parteienpolitisch zu verorten in der Radikalen Mitte

    Tät mich mal interessieren was die unser Leben angeht

     

    grüsse

  • W
    WhiskeyBerndTrinktGernWhiskey

    Lol - Die dort lebenden Menschen tun mir echt leid. Was solls - besorgt man sichs halt vorher, oder?

  • M
    Malte

    "analysierte die Landesregierung" ... die Landesregierung hat anscheinend garnichts analysiert, sonst wüsste sie, dass Verbote einfach garnichts lösen werden.

  • S
    Schnapsdrossel

    Wäre vielleicht mal zu überlegen, die Eltern in die Pflicht zu nehmen, dass sie ihren Kindern den vernünftigen Umgang mit Allohol beibringen.

     

    Staatliche Verbote hilfen da kaum

  • O
    ole

    Sehr gut. Es ist eh viel besser wenn die Jugendlichen schon um 22Uhr breit sind. So haben sie eine längere Ausnüchterungszeit und können am Folgetag auch wieder früher mit dem Trinken anfangen. Und wenn's doch mal knapp wird... Papa hat bestimmt noch was im Schrank.

    Also alles kein Problem.

     

    Na dann Prost!

  • E
    Ex-Studnix

    Ich habe als Student selber in einer Tankstelle gearbeitet und meinen Chef irgendwann mal gefragt, warum Tankstellen vom Ladenschluss ausgenommen sind. Seine Antwort: Tankstellen fallen nur bedingt nicht unter das Ladenschlussgesetz, naemlich wenn es um Reiseproviant und andere notwendige Reiseutensilien geht. Streng genommen ist der Verkauf von Alkohol nach Ladenschluss deshalb selbst an Tankstellen nicht erlaubt.

     

    Ob das wirklich so ist, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, aber wenn, waere das Gesetz im Schwabenlaendle voelliger Kappes.

  • G
    Gerda

    Alkohol an Tankstellen gehört generell verboten! Was brauchen denn Autofahrende solche Drogen? Sind Jugendliche in BW schon Autofahrende?

     

    Aber an anderen Stellen, etwa in Nachtmärkten auf Bahnhöfen oder in normalen 7/24-Supermärkten (wie in vielen Ländern üblich) ist gegen die Droge Alkohol und ihren Verkauf nicht mehr und nicht weniger einzuwenden wie gegen andere Drogen und Pharmaka auch.

  • R
    roterbaron

    Richtig so . Pro Prohibition!

     

    Wenn sich Politiker aller coleur oder der Nachbar von Nebenan auf dem Oktoberfest die Hacke geben und auf der anderen Seite genau diese Leute sich dann über betrunkene Jugendliche und Minderjährige aufregen ist das einfach nur Ignorant!

     

    Wo soll es denn herkommen?

    Hat man doch früher selber gerne mal einen gehoben .Nicht immer nur über Vorbilder reden , sondern selber eines sein!

    Ausnahmsweise mal , Bravo Baden Württemberg!

  • TM
    Thomas Müller

    Tankstellen? Schön gedacht, nur ist es so, dass ca. 90% der Tankstellen nachts ebenfalls keinen Alkohol verkaufen. Meist von 0:00h bis 6:00h. Steht auch immer auf einem Schild neben dem Kühlregal an der Tanke.

  • R
    Rulez

    Warum nicht Alkohol ganz verbieten? Für andere Drogen gilt das doch auch.