Programmierte Koalitionskonflikte in Hamburg: Löcher im schwarz-grünen Vertrag
Die Hamburger Grün-Alternativen haben anstandslos für eine Koalition mit der CDU gestimmt. Doch im Koalitionsvertrag lagert reichlich Konfliktstoff.
BERLIN taz Die Stichwörter "Chancen" und "Risiken" kamen am Sonntag in nahezu jeder Rede vor, die auf dem Hamburger Parteitag der Grünen gehalten wurde. Die "Grün-Alternative Liste" diskutierte den schwarz-grünen Koalitionsvertrag, dem heute auch die CDU in Hamburg zustimmen will.
1. Schule. An keinem Punkt lässt sich die neue kulturelle - nämlich bürgerliche - Gemeinsamkeit von CDU und Grünen so gut festmachen. Ebenso ist aber auch die Gefahr am größten, dass die Grünen ihren von der Schulsenatorin in spe, Goetsch, formulierten bildungspolitischen Ansprüchen nicht entsprechen.
Die sechsjährige gemeinsame "Primarschule" soll die ungerechte Frühauslese im Bildungswesen zumindest aufschieben. Statt nach der vierten sollen die Kinder dann nach der sechsten Klasse aufs Gymnasium oder auf die Stadtteilschule gehen, in der Real- und Hauptschule verschmelzen. Doch werden die Primarschulen zum Teil mit Gymnasien zusammenarbeiten - zum Teil jedoch nicht. In einigen Primarschulen werden Gymnasiallehrer schon Unterricht für die Kleinen anbieten - in anderen nicht.
Es ist absehbar, dass künftig die Akademiker- und Beamteneltern alles daran setzen, ihre Kinder an den Primarschulen mit Gymnasialangebot anzumelden - während die anderen Kinder sich weiterhin hinten anstellen dürfen. Die Auslese würde so nicht nach hinten, sondern nach vorn verlegt.
2. Kraftwerk. Die Grünen wollen das vom bisherigen CDU-Senat geplante Kohlekraftwerk im Stadtteil Moorburg nicht. Der Stromkonzern Vattenfall geht vor Gericht, um den Bau wie in Vorverträgen vereinbart - oder aber eine gigantische Schadenersatzsumme durchzusetzen. Es ist Aufgabe Hajduks, das durch rechtliche Kniffe zu verhindern. Sonst wird es ausgerechnet die künftige Umwelt- und Supersenatorin Hajduk sein, die für den Bau eines riesigen Kohlekraftwerks geradestehen muss.
3. Elbvertiefung. Die anstehende Vertiefung der Elbe um einen weiteren Meter auf 14,5 Meter, damit die großen Containerschiffe im Hafen einlaufen können, soll nun aber wirklich die allerletzte sein. Da schmunzeln selbst die Grünen.
4. Innere Sicherheit. Der neue CDU-Innensenator Christoph Ahlhaus gilt als Hardliner. Nichts deutet darauf hin, dass er an der besonders rigiden Abschiebepolitik Hamburgs etwas ändern möchte - auch wenn die Grünen im Koalitionsvertrag Milderungen durchgesetzt haben. Noch während der Verhandlungen wurde eine armenische Familie durch eine nächtliche Abschiebung auseinandergerissen - was auch die GAL erst auf Anfrage zugab.
5. Soziales. Möglicherweise ist von der CDU eine Bundesratsinitiative für Mindestlöhne tatsächlich kaum zu verlangen. Doch kommt das Wort "Hartz IV" im Vertrag noch nicht einmal vor. Das Kapitel "Soziales" ist kurz und beschränkt sich weitestgehend auf kostenneutrale oder günstige Unterstützungsmaßnahmen für Wohnungslose, Behinderte, Pflegebedürftige. Die 4.000 versprochenen öffentlich finanzierten Arbeitsplätze in der Stadtteilverbesserung werden aus laufenden Jobprogrammen zusammengestellt.
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