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■ ProgrammdissensDie Mannheimer Streitpunkte

Am kommenden Wochenende werden Bündnis 90/Die Grünen in Mannheim ihr Wahlprogramm verabschieden. Im Zentrum des Wahlkampfes sollen Wirtschaft und Ökologie stehen. Doch die konfliktträchtigeren Punkte liegen in der Außenpolitik. Ein erster Entwurf, der neben der „Auflösung der Militärbündnisse“ auch die „Abschaffung der Bundeswehr“ avisierte, wurde unter der Ägide des Bundesvorstandes überarbeitet. Der jetzige Entwurf fordert „eine politische Initiative zur Auflösung der Nato in ein System gemeinsamer Sicherheit“ sowie eine „Strategie der einseitigen friedens- und abrüstungspolitischen Vorleistungen“. Das Ziel der Auflösung der Bundeswehr gilt als „nicht von heute auf morgen“ erreichbar. Eine „Bundesrepublik ohne Armee“, soll „schrittweise durchgesetzt werden“. – Der realpolitische Änderungsantrag, über dessen Unterstützerkreis bislang noch gerätselt wird, fordert eine „sicherheitspolitische Perspektive“ für Europa. „Der Weg dorthin“ könne „die Nato nicht ausklammern“. Sie soll als „sicherheitspolitischer Arm in den KSZE-Prozeß überführt werden“. Eine „bloße Erweiterung der Nato nach Osten“ wird abgelehnt. „Übergangsziel“ für die Bundeswehr ist die Schaffung einer „Freiwilligenorganisation“. Eine deutsche Beteiligung an friedenserhaltenden Blauhelmmissionen wird nicht explizit gefordert. – Für eine grüne Einwanderungspolitik stehen drei Entwürfe zur Debatte. Der weitestgehende Vorschlag bekräftigt, daß es mit Bündnis 90/Die Grünen „Abschottungsversprechen irgendeiner Art nicht geben“ wird, und fordert, „am Recht auf Freizügigkeit festzuhalten“. Ein „humanitäres Migrationsrecht“ müsse auch den Aufenthalt von Menschen „absichern, die aus existentiellen Gründen hierherkommen“. „Einwanderungsquoten lehnen wir strikt ab.“ Ein zweiter Vorschlag sieht „differenzierte Lösungen“ vor, fordert ein Einwanderungsgesetz, erkennt aber, „daß die Zahl der Menschen, die kommen wollen, größer sein (wird) als die vorhandenen Möglichkeiten einer menschenwürdigen Aufnahme“. Der dritte Entwurf fordert die „legale Möglichkeit der Einwanderung“ sowie ein „Flüchtlingsgesetz“, das „die anerkannten Fluchtgründe erweitert“. Er wendet sich gegen eine „starre Quotenregelung“ etwa beim Familiennachzug oder bei zeitweise hier arbeitenden Menschen und fordert „besondere Maßnahmen“ für „Menschen, die keine andere Möglichkeit sehen, als ohne behördliche Erlaubnis zu kommen“.

In der Wirtschaftspolitik hat die Parteilinke ihre „Globalalternative“ zum Buvo-Entwurf zurückgezogen. Die zentralen Dissenspunkte werden in Mannheim jetzt als „Einzelalternativen“ diskutiert und abgestimmt. Bei der Ökosteuer dreht sich der Streit darum, ob die Einnahmen zur Kostensenkung des Faktors Arbeit und damit auch zur Akzeptanzsteigerung des ökologischen Steuerungsinstrumentes eingesetzt werden oder ob die Ökoabgaben auch „zur Finanzierung des ökologischen Umbaus und zu seiner sozialen Flankierung bereitstehen“. Bei den avisierten „weitreichenden“ Arbeitszeitverkürzungen plädiert der Buvo-Entwurf für einen Lohnausgleich für die unteren Einkommensgruppen; die Alternative bezieht die mittleren Einkommensgruppen mit ein und sieht eine zeitlich befristete 50prozentige öffentliche Förderung des Lohnausgleiches vor. Die von den Grünen geforderte Grundsicherung soll 50 Prozent des durchschnittlich verfügbaren Einkommens betragen. Während der Buvo-Entwurf eine Mietpauschale vorsieht, favorisiert der radikalere Entwurf eine Mietkostenerstattung „in tatsächlicher Höhe“. Beim Atomausstieg wollen sich die einen „höchstens ein bis zwei Jahre“ Zeit lassen, während der moderatere Entwurf sich auf keine Fristen festlegen will.

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