Profiling an Flughäfen im Anti-Terror-Kampf: Tester im Namen der Ilse
Düsseldorfs Flughafen-Chef schlägt vor, Reisende in Risikogruppen einzuordnen und nach ihrer ethnischen Herkunft zu kontrollieren. Das mussten wir mal ausprobieren.
"Die deutschen Flughäfen schlagen im Anti-Terror-Kampf ein 'Profiling' nach Risikogruppen vor", meldeten gestern die Nachrichtenagenturen. Und ich danach nun: Der Bremer Flughafen hat das schon mal angetestet. Er ist klein, aber fein und gehört einer Stadt, die nur noch aus Paranoia Wert schöpfen kann.
So schickte Radio Bremen z. B. am 11.9. 2001 sofort einen Ü-Wagen zu einem Bürokomplex am Bahnhof, den man pompös "World Trade Center" genannt hatte, der jedoch nahezu unvermietbar war. Stündlich meldete der Sender dann: "Noch ist hier am WTC alles ruhig!"
Bis zum Mauerfall flog man Weihnachten für 70 DM subventioniert von Westberlin nach Bremen, das wurde mir zur lieben Gewohnheit. Als ich jedoch jetzt nach dem Fest dort einchecken wollte, wurde ich beiseitegenommen - von einem Herrn mit Halbglatze, der sich als "Salm-Schwader, Profiler" vorstellte. Er druckste herum, bis klar wurde: Es ging um einen Test - zur Minimalisierung des Flugrisikos.
Wie ich sicher wisse, würde man in den USA schon seit langem versuchen, Herzkranke und Verrückte, Rockmusiker unter Drogen zum Beispiel, die sich möglicherweise auf das Flugpersonal stürzen, schon im Vorfeld auszusortieren. Nun kämen, ausgehend vom Kampf gegen den Terrorismus, auch noch andere Risikogruppen hinzu. Dabei sei unter anderem "die ethnische Herkunft, die Religion und die Lebenssituation der Passagiere ausschlaggebend …" "Aber ich bin protestantischer Bremer" - rief ich. "Wo ist da das Risiko?"
Der Profiler, Herr Salm-Schwader, der, wie sich dann herausstellte, genau wie ich an der Bremer Uni studiert hatte, wurde darob noch verdruckster - zeigte nur auf meinen Rollkoffer, über den ich meinen Mantel gehängt hatte, und sagte leise: "die Lebenssituation".
Ich kuckte nach unten - und verstand ihn, der einen grauen Zweireiher trug, wie sie von Sparkassenfilialleitern in den Siebzigern bevorzugt wurden: An meinem schwarzen Wintermantel war das Innenfutter an mehreren Stellen zerfetzt und mein Billig-Rollkoffer war ebenfalls leicht aufgerissen. Der Profiler zeigte mir den Ausdruck meines Ganzkörperscanns. Man sah darauf deutlich, dass auch mein Unterhemd Löcher hatte.
"Abgesehen davon", erklärte er, habe die Gepäckdurchleuchtung ergeben, dass sich in meinem Kulturbeutel Shampooflaschen von gleich mehreren ausländischen Hotels befänden …
"Und darauf stützt sich nun Ihre ganze Einschätzung meines Risikopotenzials?", fragte ich - lauter, als ich eigentlich wollte. Er kam mir mit einer Gegenfrage: "Was wollen Sie eigentlich in Berlin?" "Ich wohne und arbeite da", sagte ich und fügte hinzu: "unter anderem für die taz, deswegen verreise ich viel, verdiene aber nur wenig." Das schien mir ausreichend Erklärung. Doch der Profiler wollte mehr: "Und was haben Sie in Bremen gemacht?" "Ich hatte im World Trade Center zu tun."
Herr Salm-Schwader hatte aber für solche Witze kein Verständnis. "Sie müssen mir nicht antworten. Wir befinden uns ja in der Testphase, noch", sagte er. "Es geht dabei auch um Ihre Flugsicherheit." Dabei guckte er mich erwartungsvoll an. Dann hatte er eine Idee: "Verstehen Sie sich doch - probehalber - hier als verdeckten Ermittler, wie sie die Verbraucherministerin Ilse Aigner bei den Banken einsetzen will." "Und was soll ich dabei ermitteln?", fragte ich zurück. "Na, ob ich in meinem Profiling richtig lag in Ihrem Fall", bekam ich zur Antwort.
"Sie haben aber doch mein 'Profil' noch gar nicht herausgearbeitet, wie kann ich da ermitteln, ob Sie damit recht haben", versuchte ich Zeit zu gewinnen. "Na ja", erwiderte er, "unverheirateter Journalist, prekär beschäftigt, links orientiert, den Büchern im Gepäck nach zu urteilen, teure Hotels, aber kein Geld für neuen Mantel, in Berlin lebend, Kreuzberg wohlmöglich, taz … da kommt schon einiges zusammen …" "Aber das habe ich Ihnen doch selbst eben alles mitgeteilt" - das gildet nicht, wollt ich noch auf Bremisch hinzufügen, unterließ es aber.
"Zu den 'Kontrollsystemen', die demnächst ,zum Wohle aller Beteiligten' eingesetzt werden, wie unser Flughafenverband das nennt, gehört notfalls auch das Befragen ausgesuchter Passagiere durch einen Profiler. Und das bin ich in diesem Fall", sagte Herr Salm-Schwader nicht ohne Stolz. "Und Sie sind der Passagier. Aber ich will Sie nicht mehr länger aufhalten", fügte er hinzu - und entließ mich in den Warteraum für den Flug LT 4032 nach Tegel.
Der Flughafentest unseres Aushilfmeisters entsprang dem Reich der kuriosen Ideen, ebenso wie die Risikoselektion selbst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Ineffizienter Sozialstaat
Geteilte Zuständigkeiten
Gesetzentwurf aus dem Justizministerium
Fußfessel für prügelnde Männer
Europarat beschließt neuen Schutzstatus
Harte Zeiten für den Wolf