Professor Zulauf im Ideenfieber

Die „Stiftung Innovation“ will neue Produkte anregen. Bei der Bundesregierung stieß sie auf taube Ohren

BOCHUM taz ■ Er hat es nur im Fernsehen gesehen. Am Donnerstag traf sich der neue Innovations-Beirat im Kanzleramt. „Aber was sollen die Herren bewegen, beim Essen?“, fragt Reinhard Zulauf. Der Bochumer Wirtschaftsingenieur glaubt nicht an den offiziellen Innovations-Geist. Doch Zulaufs Glaube an Innovationen ist ungebrochen.

Vor neun Jahren rief er an den Unis in Gießen und Bochum die ‚Stiftung Innovation‘ ins Leben. Damals sei über den ‚Standort Deutschland‘ gestritten worden. Um die heimische Produktionsstätten zu halten, sollte der Gürtel enger geschnallt werden. Für Zulauf eine fatale Kampagne: „Gewerbliche Mitarbeiter verabschiedeten sich in die innere Immigration.“ Zulaufs Studenten erlebten, wie andernorts produziert wurde. „Ich habe einen oberbergischen Firmenerben nach China geschickt, der war beeindruckt von den Produkten, dem Tageslohn von 2,70 Mark!“

Zulauf knallt ein Einmachglas auf den Basalt-Küchentisch. „Sie kennen das Problem?“ Frauen bekommen den Schraubdeckel nicht ab. Zulauf springt auf. Kehrt mit einem Kleiderbügel zurück, auf dem ein T-Shirt hängt. Umständlich zieht er den Bügel unten aus dem Hemdchen: „Der Kragen ist nicht weit genug.“

1995 hat die Stiftung Innovation einen Aufruf gestartet. Wer Innovationen benötige, solle sich melden. Ergebnis: Ein Automobilzulieferer lud Zulauf ein in den Vorstand. Nach Nettigkeiten räumten die Manager es schließlich ein: „Uns sind die Ideen ausgegangen!“ – „Sie hatten nicht nur keine Ideen, sie hatten auch keine Ahnung, wie sie zu neuen Ideen kommen!“, noch heute kann sich Zulauf ereifern. Fragen sei doch so einfach!

Die Stiftung startete eine Kampagne. Ein Kettenbrief wurde an 10.000 Adressen verschickt. Die Empfänger sollten Problemstellungen nennen oder Lösungen. „Wir haben mit 200 Rückschreiben gerechnet!“ sagt Zulauf, nach drei Tagen war die Zahl erreicht. Nach 18 Monaten zählten sie 100.000 Antwortbriefen. Bis heute sind es über eine Million Briefe, der Brief zirkuliere in Russland .“Wir können das nicht stoppen!“

Heimlich freut sich Zulauf über den Rücklauf. Tausend Firmen griffen auf die Stiftungs-Datenbank zurück, es entstand Innovationsdruck. In den nächsten Monaten würde eine Lösung des Schraubdeckelproblems auf den Markt kommen. Er kramt einen handgeschnitzten Bügel hervor. Eine Hausfrau habe das T-Shirt-Problem gelöst. Der Bügel hat eine S-Form, lässt sich in den Kragen einführen.

Die Kettenbriefaktion, das erste „Ideenfieber“ sollte nur der Anfang sein. Jahrelang habe er bei der Bundesregierung für eine Offensive geworben. Doch sei er auf taube Ohren gestoßen. Immerhin habe die Bayer AG „Gesundheit im Ideenfieber“ gestartet. „Aspirin Effect“, das selbst sprudelnde Schmerzmittel, sei ein Ergebnis.

Die Hoffnung auf eine Bundes-Werbekampagne, „auf Plakate mit dem Spruch: Das hat Tante Erna erfunden“, ein zweites Ideenfieber, er hat sie aufgegeben:

Nein, in Deutschland herrsche kein Mangel an Kreativität. Aber es brauche eine „Mentalitätswende“, meint Zulauf und setzt nur auf die „Kulturrevolution“: „Nein, keine Toten, aber es muss harte Schnitte geben!“. Weg von den Bedenkenträgern. Das brachliegende Potenzial müsse angeregt werden, der Ruck von Roman Herzog. Was Innovationen sind? „Was innovativ ist, weiß der Kunde“, sagt Zulauf – sie haben es ihm bewiesen.

CHRISTOPH SCHURIAN