Produktpiraterie-Kampf: Keine Billigmedikamente für Arme
Ein neues Abkommen könnte armen Ländern den Zugang zu Billigmedikamenten versperren.
BERLIN taz | Seit diesem Donnerstag verhandeln die Industrie- und einige wenige Entwicklungsländer in Marokko über ein internationales Anti-Fälschungs-Abkommen. Das "Anti-Counterfeiting Trade Agreement" (Acta) soll die weltweite Produktpiraterie - von Turnschuhen und Uhren bis Musik und Software - eindämmen und "höhere Standards für den Schutz geistigen Eigentums" setzen.
Dabei gibt es längst Abkommen zum Schutz von Patenten und Markenrechten: die Weltorganisation für geistiges Eigentum (Wipo) und das Übereinkommen geistige Eigentumsrechte (Trips) im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO). Acta soll nach Angaben der EU-Kommission keinen neuen Patentschutz hinzufügen, sondern die vorhandenen Regeln besser durchsetzen, etwa durch strengere Zollkontrollen. Dadurch sollen nicht nur Unternehmen vor der Konkurrenz durch gefälschte Markenprodukte und Raubkopien geschützt werden, sondern auch die Verbraucher vor potenziell gefährlichen nachgemachten Arznei- und Lebensmitteln.
Die Frage ist jedoch, wo genau die Abgrenzung vorgenommen wird zwischen gefälschten Pillen mit unwirksamen oder sogar giftigen Zutaten und ganz normalen Generika, die die gleichen Wirkstoffe enthalten wie die patentierten Originalprodukte. Die WTO erlaubt Entwicklungsländern, notfalls unter Umgehung von Patenten die medizinische Versorgung der Bevölkerung mit billigen Generika zu sichern.
Die Entwicklungsorganisation Oxfam befürchtet nun, dass diese Möglichkeit durch Acta ausgehebelt werden könnte, so dass Medikamente für den Süden unerschwinglich würden. "Ein solches Abkommen gefährdet das Gleichgewicht zwischen dem Schutz geistiger Eigentumsrechte und dem Recht der Menschen in Entwicklungsländern auf Zugang zu günstigen Medikamenten", warnt Oxfam-Handelsexperte David Hachfeld.
"Die EU-Kommission stimmt zu, dass diese Maßnahmen nicht zu Lasten des Handels mit echten Generika gehen sollten", so die Antwort aus Brüssel auf Nachfrage der taz. Die EU unterstütze den Zugang von Entwicklungsländern zu preiswerten Medikamenten - etwa indem Pharmakonzerne ihre Produkte im Süden günstiger anbieten. Dieser Ansatz hat aus Sicht der Industrie einen wunderbaren Vorteil: Er kommt ohne die Konkurrenz von Generika aus.
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