Probleme mit MigrantInnen bei den Grünen? / Wozu betriebliche Mitbestimmung beiträgt / Die Deutsche Bahn wird europäisch / Widersprüchliche Steuergrundsätze

betr.: „Eine Überraschung namens Beck“, taz vom 21. 10. 98

Die Entscheidung gegen Cem Özdemir als Integrationsbeauftragten ist mir immer noch unbegreiflich. Die Beweggründe für die Ritter der Tafelrunde (Mitglieder der Verhandlungskommission) kann man sich zwar vorstellen, allerdings ist keiner davon stichhaltig. Es zeigt wieder einmal, wie sehr die Einheimischen, auch unter den Grünen, noch Probleme mit MigrantInnen haben. Es beweist, daß es immmer noch nötig ist, weiter für unsere Rechte zu kämpfen. [...] Gerade für dieses Amt, daß in so sensible Politikfelder hineinspielt, hätte man einfach den Besten wählen müssen und nicht aus taktischen Gründen eine Frau, nur um die Quote zu erfüllen.

Marieluise Beck wird dieses Amt sicher kompetent führen. Die Chance, den MigrantInnen in diesem Land zu zeigen, daß Sie es mit der Integration wirklich ernst meint und mit gutem Beispiel vorangehen will, hat die neue Bundesregierung jedoch erst einmal vertan. Adil Oyan, Mitglied im Bundesvorstand ImmiGrün e.V.

Wozu betriebliche Mitbestimmung beiträgt

betr.: „Preis der Harmonie“ (Wirtschaftsforschungsinstitut findet betriebliche Mitbestimmung zu teuer), taz vom 23. 10. 98

Denjenigen, die in der Wirtschaft gerne „vernetztes“ Denken predigen, geht genau dieses Denken selbst oft am deutlichsten ab. So können sie natürlich nicht begreifen, wozu betriebliche Mitbestimmung beiträgt.

In Deutschland bietet sie zum Beispiel die Möglichkeit, sich halbwegs harmonisch in Konflikten zu einigen, die in anderen Ländern entweder auf dem Rechtsweg oder auf dem Unrechtsweg gelöst werden müssen. Letzterer hat allerdings gelegentlich Nachteile auch für Unternehmer, zum Beispiel, wenn diese in wichtigen Behörden keine Vettern oder gepflegte Freunde sitzen haben. Der Preis für „Flexibilität“ ist dann unter dem Tisch zu begleichen.

Harmonie in Deutschland: Software zum Beispiel ist heute einer der wichtigsten Bestandteile des Nervensystems von Unternehmen. Da wir in Deutschland dank eines an dieser Stelle nicht näher zu beschreibenden Monopols mit Software arbeiten müssen, die – harmonisch ausgedrückt – die Befolgung der Datenschutzbestimmungen sehr erschwert, kann man hier mit dem Betriebsrat einvernehmliche Lösungen erarbeiten, die Unternehmern Erfahrungen mit dem Strafrecht ersparen.

In intelligenten Unternehmen ist der Betriebsrat bereits ein wichtiger Problemlöser geworden. Natürlich bleibt immer noch die Alternative, die betriebliche Mitbestimmung zusammen mit den „Problemen“ – zum Beispiel den komplizierte Bestimmungen – abzuschaffen. All diese lästigen Gesetzen bräuchte man ja nur wieder etwas „flexibler“ und „einfacher“ zu machen. „Die“ Asiaten (also die paar Leute zwischen Istanbul, Manila und Wladiwostok, die sich bekanntlich alle nach einheitlichen „Asiatischen Werten“ richten) zeigten uns ja, wie man ohne lästige betriebliche Mitbestimmung erfolgreich sein kann, na ja, also zumindestens konnte. Und wenn es einigen (abgesehen von den Verantwortlichen) nun nicht mehr so gut geht, dann kann man doch immer noch von China lernen, wie man mit Störenfrieden umgeht und welche Kosten „Flexibiliät“ hat. Götz Kluge, Betriebsratsmitglied, München

Die Deutsche Bahn wird europäisch

betr.: „Die Deutsche Bahn spricht deutsch“, Ghettoblaster von Richard Szklorz, taz vom 13. 10. 98

[...] Da kritische Bemerkungen, nett dargebracht, in der Regel sehr wohl Gedankenanstöße geben, möchte ich Ihnen meine kurzfristige Entscheidung nicht vorenthalten, unseren Zubegleitern aus Dresden – für den EC Prag – Dresden – Erfurt – Paris, auch aus Erfurt – einige Texte in die Hand zu geben, die in tschechischer oder ungarischer Sprache eine Zuwendung zu den Fahrgästen auch aus Heimatländern außerhalb des Zuständigkeitsbereiches der Deutschen Bahn AG ermöglichen werden. So wie Sie es schreiben, einige wenige, erlernbare Sätze, die eine Identifikation der Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG mit dem europäischen Gedanken erkennen lassen sollen.

Wir bereiten diese Sätze gegenwärtig vor und werden diese Aussagen/Informationen voraussichtlich ab Ende November 1998 auf den von uns zu betreuenden Zügen zu Gehör bringen. Lutz-Steffen Hering, Deutsche Bahn AG – DB Reise & Touristik,

Halle

Widersprüchliche Steuergrundsätze

betr.: „Ehegattensplitting abschaffen“, Interview mit Carmen Selg, Steuerexpertin, taz vom 22. 10. 98

Die Pläne der angestrebten rot-grünen Koalition wie auch die Stellungnahme der Steuerexpertin Selg zielen auf die effektive Abschaffung des Ehegattensplitting ab, um so für eine gerechtere, das heißt sozial geprägte Besteuerung zu sorgen. Der erwerbstätige Teil würde, minus einen Sockelbetrag in der Höhe etwa des Existenzminimums, in voller Progressionshöhe besteuert werden und den nichterwerbstätigen Teil alimentieren, dies jedoch sicherlich in angemessen höherem finanziellem Umfang. Das aufgeteilte Einzeleinkommen soll somit zu gravierend unterschiedlicher Besteuerung führen, je nachdem, ob es der Erwerbstätigkeit beider oder eines Partnerteils entspringt? Führt dies zu mehr gesellschaftlicher, sozialer oder steuerlicher Gerechtigkeit?

Wer mit derartigen Sockelbeträgen das Ehegattensplitting de facto abschafft, sorgt für widersprüchliche, ja ungleiche Steuergrundsätze und greift zudem steuerpolitisch in die Gestaltung der Ehegemeinschaft ein, was auch in mehrfacher Hinsicht verfassungsrechtlich fragwürdig ist. Wer die Bewertung der Lebensform Ehe in der Gesellschaft für fragwürdig hält, sollte dies direkt angehen. Andreas Subaric-Leitis, Berlin

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