Probleme bei Körperscannern: Achselschweiß führt zu Fehlalarm
Zu viele Fehlalarme, zu wenig Effizienz. Die umstrittenen Körperscanner sollen deshalb erstmal nicht flächendeckend an Flughäfen eingesetzt werden.
BERLIN taz | Als der damalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) Ende September 2010 den Testlauf für zwei Körperscanner auf dem Hamburger Flughafen startete, klang alles so einfach. Das Sicherheitsniveau werde erhöht, sagte der Minister. Und für viele Passagiere entfalle nun das Abtasten des Körpers.
De Maizière lächelte, als er sich mit erhobenen Händen in den Scanner stellte. Doch es stellte sich heraus, dass dann doch alles viel komplizierter ist als gedacht.
Deshalb wird die Einführung der neuen Kontrollgeräte an deutschen Flughäfen auf unbestimmte Zeit aufgeschoben. Das teilte das Bundesinnenministerium am Mittwoch mit. Die Geräte seien noch nicht ausgereift für einen flächendeckenden Einsatz. In zu vielen Fällen seien Nachkontrollen notwendig.
Aus Regierungskreisen heißt es, es sei nicht einmal absehbar, wann mit einem weiteren Feldtest begonnen werden könne. Das Problem: Die Software funktioniere zu schlecht. Die Scanner produzieren demnach sehr oft einen Fehlalarm. Fast 80 Prozent der Alarme, die die Geräte auslösten, waren überflüssig. Die Gründe sind banal: Schon bei Falten in der Kleidung oder zuviel Achselschweiß schlugen die Geräte an. In fünf Prozent aller Kontrollen gab es einen unerklärlichen Fehlalarm. Es war also das nötig, was eigentlich vermieden werden sollte: Nachkontrollen per Hand.
Verbesserungen bisher nicht ausreichend
Die Software müsse nun so verbessert werden, dass Schweiß, Kleidung und andere für die Sicherheit unbedenkliche Dinge automatisch vom Computer erkannt werden und nicht zur Auslösung eines Alarms führen, heißt es. Das betreffe etwa auch Gürtelschnallen. Zwar habe die zuständige Firma die Software immer weiter verfeinert, die Verbesserungen seien aber nicht ausreichend gewesen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich sagte am Mittwoch: "Die Bundespolizei wird die Entwicklung auf diesem Gebiet weiter eng begleiten, so dass wir hoffentlich bald Geräte zur Verfügung haben, die sowohl unseren hohen Sicherheitsansprüchen genügen als auch dem Passagieraufkommen Rechnung tragen."
Rund 800.000 Menschen liefen durch die Scanner in Hamburg – auf freiwilliger Basis. Die Testphase war auf zehn Monate verlängert worden, Ende Juli wurden die Scanner wieder abgebaut. Die auch als "Nacktscanner" verschrieenen Körperscanner sind aus verschiedenen Gründen umstritten. Unter anderem wurde ein Eingriff in die Intimsphäre kritisiert.
Bei dem nun getesteten Modell sind die Körperformen der Passagiere allerdings nicht zu erkennen. Es wird vielmehr an einem Strichmännchen mit einem gelben Rechteck die Stelle markiert, an der verdächtige Gegenstände vermutet werden. Die Sicherheitsleute können dann gegebenenfalls gezielt nachschauen. Die Geräte senden Milimeterwellen aus, die die Haut nicht durchdringen und deshalb als unschädlich für die Gesundheit gelten.
In den Ländern der Europäischen Union wird seit Anfang 2010 wieder verstärkt über die Körperscanner diskutiert. Anlass war der versuchte Anschlag eines Nigerianers, der auf einem Flug von Amsterdam nach Detroit einen Sprengsatz zünden wollte, den er direkt am Körper trug und der vom Metalldetektor nicht erkannt worden war. Die EU will bis Ende des Jahres eine Verordnung vorlegen, die Körperscanner als Kontrollmittel zulassen soll, eine Vorschrift soll es aber nicht geben. Bislang gibt es keine einheitliche europäische Regelung.
Bringt der Scanner wirklich einen Sicherheitsgewinn?
Noch offen ist, ob Röntgenscanner auch erlaubt werden. Diese testen Großbritannien und Finnland. Für Deutschland kommen Röntgenscanner nicht in Frage, heißt es aus Sicherheitskreisen. Im Gegensatz zu den bisher eingesetzten Metalldetektoren können die Körperscanner nicht nur Gegenstände aus Metall erkennen, sondern etwa auch ein Keramikmesser oder Plastiksprengstoff. Im Körper versteckte Gegenstände bleiben aber weiter unerkannt.
Kritiker werfen deshalb die Frage auf, ob die neuen Scanner wirklich einen so großen Sicherheitsgewinn mit sich bringen. Womöglich geht von Luftfracht die viel größere Gefahr aus. Die wird zum Teil auch in Passagiermaschinen transportiert – aber wenig kontrolliert. Das wurde im vergangenen Jahr deutlich, als Anschläge mit Paketbomben aus dem Jemen vereitelt wurden. Sollten die Körperscanner eines Tages flächendeckend eingeführt werden, müssen sich die Steuerzahler auf hohe Kosten einstellen. Mehr als 100.000 Euro kostet ein Gerät der Herstellerfirma L3, nicht eingerechnet sind dabei Betriebskosten und erforderliche Umbauten an den Flughäfen.
Für die Sicherheitskontrollen der meisten Flughäfen ist der Bund zuständig, er müsste 180 sogenannter Torsonden durch Körperscanner ersetzen. Er müsste die Geräte anschaffen, über die Luftsicherheitsgebühr könnten die Kosten langfristig wieder reingeholt werden. Die beiden Test-Scanner stehen jetzt erstmal wieder im Labor der Forschungs- und Erprobungsstelle der Bundespolizei in Lübeck. Dort wird nun weiter experimentiert, dass sie nur dann Alarm schlagen, wenn es auch nötig ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag