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„Problem Mann“

■ betr.: „Wir erleben gerade die Agonie des Patriarchats“, Inter view mit Ingrid Kurz-Scherf, taz vom 25.9. 96

[...] Was soll das sein, „das Problem Mann“? Ist das nicht die Instrumentalisierung verkürzten Denkens zugunsten einer anti- maskulinen Ideologie?

Es gibt keine männliche (und auch keine weibliche) Corporate Identity, wie Ivan Illich sehr ausführlich nachgewiesen hat („Genus“). Nicht mehr, und es hilft nichts, sie kommt auch nicht zurück (und wer will da schon hin?). Und die beklagten Hosenanzüge sind Ausdruck seiner These, daß die Industriegesellschaft austauschbare Arbeitskräfte verlangt, die sich höchstens noch durch Ausbeulungen im Pullover unterscheiden, ohne genuelle Identität, ohne Manifestationen von geteilter Handlungskompetenz, ohne Vertrauen in die Verschiedenheit von Verantwortlichkeiten, die sich Männer und Frauen individuell teilen könnten.

[...] Es gibt keinen Zweifel, daß Männer wie Frauen nur den Schwachsinn stabilisieren, wenn sie prinzipielle Konflikte propagieren, denn das geht am Individuum vorbei und paßt nur in die Kathegorien der terrible simplificateurs, die verkürztes Denken für Moral halten. Klar: „The damage is done“, und was gebraucht wird, sind Visionen von einem menschenfreundlichen Fortschritt, eben einem, der diesen Namen verdient, anstatt sich an wirtschaftlichen Wachstumszahlen aufzugeilen, während es die Kinder sind, die die Zeche zahlen.

[...] Und es zeigt nicht auf den Punkt, wenn die These lautet, daß es die Frauen seien, die am meisten unter dem „Spar“paket Kohlscher Provenienz leiden, denn genaugenommen sind es die, die Kinder haben. Allen voran jene, die allein für Kinder verantwortlich sind (Verschiebung der Kindergelderhöhung ...).

„Problem Mann“? [...] Mir scheint es, als ob da auf „den“ wie auch immer verallgemeinerten „Mann“ eine Problemlage (!) projiziert (!) wird, die zu keiner Lösung führen kann, weil die zugrundeliegende Frage nicht zu Ende gedacht ist.

Viele der Aussagen von Ingrid Kurz-Scherf finde ich richtig, an dieser Stelle rege ich allerdings an, noch einmal genau hinzusehen. Sonst wird der Mann mit dem Bade ausgeschüttet. Jörg Jenetzky,

Redaktion HANF, Bielefeld

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