Problem Lichtverschmutzung: Alles ist erleuchtet
Immer mehr Lampen leuchten in die Nacht - und bringen den Biorhythmus von Menschen und Tieren durcheinander. Astronomen und Umweltschützer wehren sich.
Die vergangene Nacht war die längste des Jahres. Richtig dunkel wurde es dennoch nicht: Straßenlaternen, Flutlichter und Reklameleuchten erhellen den Nachthimmel, und in der Weihnachtszeit kommt die festliche Beleuchtung hinzu. Experten sprechen von Lichtverschmutzung oder Lichtsmog - sie beklagen das Verschwinden der Dunkelheit, das Menschen und Tiere aus ihrem Biorhythmus bringt und die Sterne am Himmel unsichtbar macht. Und das, obwohl viele Lichtquellen schlicht überflüssig sind, etwa sogenannte Sky-Beamer.
Andreas Hänel, Leiter des Planetariums Osnabrück, vertritt eine weltweite Initiative von Astronomen, die sich für einen maßvollen Einsatz von Licht engagiert - schließlich kann man Sterne nur in der Finsternis sehen. Das Problem sei vor allem eine Straßenbeleuchtung, die sich mehr am Design orientiere als am Nutzen: kugelförmige Laternen zum Beispiel, die mehr als 50 Prozent ihrer Energie dafür verschwenden, den Nachthimmel zu beleuchten. Hänel schätzt, dass die Lichtverschmutzung in Deutschland um etwa 6 Prozent pro Jahr zunimmt. Andere Länder wie Italien und Japan verzeichneten jährliche Zuwächse von 10 bis 12 Prozent. Nach Messungen der Universität Padua leben bereits jetzt 99 Prozent der Menschen in Europa und den USA unter einem "lichtverschmutzten" Himmel. Die Zahl der mit bloßem Auge sichtbaren Sterne liege längst nur noch bei 200 bis 500, in Innenstädten sogar nur bei einigen Dutzend, während sie früher bei bis zu 2.500 lag, stellten die italieneischen Wissenschaftler fest.
Laut einer Studie deutscher Biologen haben öffentliche Beleuchtungsanlagen auf nachaktive Insekten eine verheerende Wirkung: In den Sommermonaten würden etwa 150 Insekten pro Straßenlaterne und Nacht getötet. Rund 6,8 Millionen säumen die Straßen Deutschlands, jede Nacht verenden über eine Milliarde Insekten.
Auch den menschlichen Organismus lassen die Leuchten nicht unberührt: Das Zeitempfinden kann ebenso gestört werden wie der Schlaf. Neurologen erforschen derzeit Auswirkungen auf die Produktion des Schlafhormons Melatonin, das der Körper nur im Dunkeln bilden kann. Es gebe erste Indizien, sagte Hänel, "dass dieses Hormon notwendig ist, um Krebs zu unterdrücken". Außerdem würden Lichtquellen immer stärker. In Deutschland gebe die DIN-Norm für die Straßenbeleuchtung bislang nur Mindestwerte vor. Sinnvoll wären auch Maximalwerte.
Allerdings interessiert sich für die Lichtverschmutzung kaum jemand. Viele Initiativen verliefen aufgrund mangelnden Problembewusstseins im Sande, erklärt Hänel. Oft werde argumentiert, dass eine Reduzierung der Beleuchtung automatisch auch eine Reduzierung der Sicherheit auf den Straßen bewirke. Betrachte man aber Unfallstatistiken von Ländern, die ihr gesamtes Straßennetz einschließlich Autobahnen beleuchten, zeige sich, dass dort die Anzahl der Verkehrsunfälle nicht merklich geringer sei als hierzulande.
Der Hobbyastronom und Grünen-Bundestagsabgeordnete Peter Hettlich fordert ein Umdenken - auch in der Politik. "Bund, Länder und Kommunen sind gehalten, die Lichtverschmutzung zurückzudrängen, weil sie den Menschen und der Umwelt schadet." So könne der Bund technische Vorgaben für Lampen machen. "Niemand soll im Dunkeln über die Straße laufen. Aber die Lampen müssen dahin leuchten, wo man das Licht braucht - nicht in den Himmel."
Zudem müssten Gewerbegebiete gezielter beleuchtet werden, und Sehenswürdigkeiten müssten nicht die ganze Nacht angestrahlt werden, fordert Hettlich. "Von 12 Uhr bis 5 Uhr sieht die ohnehin kaum jemand." Auch blinkende Windkraftanlagen könnten mit weniger Licht und veränderten Frequenzen auskommen, hierfür seien reformierte Vorschriften für die Flugsicherung nötig. Eines stört den Freund der Dunkelheit allerdings nicht: die abendliche Weihnachtsbeleuchtung - wenn man sie ausschaltet, bevor man ins Bett geht. Vielleicht will ja jemand das wunderschöne Wintersternbild Orion betrachten.
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