Pro7 stoppt Aufreißer-Sendung: Doch kein Ficken im Akkord
Pro7 wollte Studenten in der geplanten Aufreißer-Sendung "50 pro Semester" um die Wette vögeln lassen - und lässt es jetzt lieber, weil Kirche und Politiker sich aufregen.
Ficken im Akkord statt büffeln im Audimax. So sieht Pro7 das Studentenleben 2010, so sollte sich das Unterschichtenpublikum des Senders die Studenten vorstellen. Als sexhungrige Horde, nicht als mittelscheiteltragende Bücherwürmer, die gegen Studiengebühren und volle Hörsäle protestieren.
Im Januar wollte Pro7 die Sex-Wetten-Show "50 pro Semester" testen, hat diese Pläne aber nach scharfer Kritik aus Kirche und Politik vorerst gestoppt. "Aufgrund der öffentlichen Diskussion" habe man sich entschlossen, "das Programm erst zu einem späteren Zeitpunkt auszustrahlen", sagte Sendersprecher Christoph Körfer.
Das Konzept der Show: Fünf Studenten treten gegeneinander an, Gewinner ist, wer zuerst 50 Frauen und/oder Männer ins Bett bekommt - im Nachmittagsprogramm. Produziert wird das Ganze als "Scripted Reality" - Laienschauspieler agieren fest nach Drehbuch.
Auch die Studenten protestieren sofort. Da widmet sich ein Privatsender schon einmal ihrer Lebenslage und stellt sie dann derart realitätsfern dar. Ihr Alltag bestehe aus Büffeln, Nebenjobs und dem täglichen Kampf um einen Platz im Hörsaal. Was bezweckt der Sender mit dieser Inszenierung von Leistung, gerichtet an ein leistungsfernes Publikum?
Eine romantisierende Projektionsfläche soll geboten werden: hier der immer gleiche Ehesex, dort das wilde, abwechslungsreiche Studentenleben. Bedient wird der angenommene Voyeurismus des alleinstehenden Fließbandarbeiters - mit einem Gegenprogramm zu den Fernsehbildern der Studentenstreiks, also der Realität.
Laut Körfer ist die Sendung eine "Soap mit jungen Menschen, welche Spaß am Leben, an der Liebe und selbstverständlich auch am Sex haben". Es sei gewährleistet, "dass sowohl medienrechtliche Vorschriften als auch Ethik und Moral sich hier widerspiegeln", sagte er.
Zuvor hatte der katholische Weihbischof Hans-Jochen Jaschke erklärt, "50 pro Semester" sei "billiger Voyeurismus". Die bayerische Familienministerin Christine Haderthauer (CSU) erkannte in der "Passauer Neuen Presse" eine "verheerende Botschaft an alle Zuschauer, wenn Frauen und Männer in einer Art moderner Kopfgeldjagd zu Sexobjekten degradiert" würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ökonom zu Habecks Sozialabgaben-Vorstoß
„Die Idee scheint mir ziemlich unausgegoren“
Durchbruch bei Waffenruhe in Nahost
Ein erster Schimmer Frieden
Anschlag auf Weihnachtsmarkt
Magdeburg-Täter suchte Kontakt zur AfD-Jugend
„Campact“ startet Anti-CDU-Kampagne
Kein Kreuz für Merz
Habeck stellt neues Buch vor
Sich „tastend bewegen“
Robert Habeck im Untersuchungsausschuss
Atomausstieg ohne Denkverbote