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Pro und KontraParteien beim Anti-Atom-Protest?

Felix Lee
Kommentar von Felix Lee und Julia Henke

Einige Atomkraftgegner wollen bei den Protestaktionen am Wochenende keine politischen Parteien sehen. Andere sagen: Jeder Einzelne zählt und ist auch willkommen.

Atomkraftgegner protestieren in Gorleben gegen das rot-grüne Führungsdou Schröder/Fischer (Archivbild von 2000). Bild: ap

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Wenn eine Masse von Menschen für die gleichen Ziele eintritt, ist es ein Gebot der Vernunft, dass alle Beteiligten am selben Strang ziehen. So scheint es nur logisch, dass Atomkraftgegner aus unterschiedlichen Bewegungen, Gruppierungen und auch aus Parteien gemeinsam auf die Straße gehen, um ein Zeichen zu setzen. Je mehr Menschen sich beteiligen, um so mehr Gehör können sie sich verschaffen - getreu dem Motto "Zusammen sind wir stark!".

Es ist unwahrscheinlich, dass die Anti-Atom-Bewegung allein genug Menschen wird mobilisieren können, um die geplante 120 Kilometer lange Anti-Atom-Menschenkette zu schließen. Zu klein sind die Gruppen, zu wenig verbreitet in ländlichen Regionen. Wenn sich Parteien wie SPD, Grüne oder Linke mit ihrer grundsätzlich atomkraftkritischen Einstellung dem Protest anschließen, kann die Bewegung nur profitieren. Über ein engmaschiges Netz können die Parteien ihre Anhänger schnell mobilisieren und der Menschenkette mehr Substanz verleihen.

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Was macht es da für einen Unterschied, ob jemand mit oder ohne Parteibuch in den Reihen steht? Wichtig ist, dass der gemeinsame Grundgedanke stimmt: "Atomkraft? - Nein danke!" Auch wenn sich die Forderungen nach dem Atomausstieg im Detail unterscheiden, sind Animositäten und Ressentiments in der eigenen Mannschaft kontraproduktiv. Nur mit vereinten Kräften lässt sich der wahre Gegner - die Atomlobby - bezwingen.

Zwar mag der Vorwurf berechtigt sein, dass Parteien die Aktion als Wahlkampfplattform nutzen, doch das muss nicht gleich negativ sein. Denn ein rot-grüner Sieg bei der NRW-Wahl könnte nicht nur die schwarz-gelbe Landesregierung ablösen - ein jähes Ende finden könnten auch die Pläne von CDU und FDP zur Laufzeitverlängerung der AKWs.

Davon profitieren nicht zuletzt die Atomkraftgegner. Allein können sie wenig bewirken, auch wenn heute noch so viele Menschen auf die Straße gehen. Die Entscheidungen zum Atomausstieg werden nun einmal in der Politik gefällt.

Julia Henke (29) ist Praktikantin bei der taz.

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Kontra

Die Anti-Atom-Bewegung erlebte vergangenen Herbst ihre beeindruckendste Renaissance seit der Tschernobyl-Katastrophe 1986. Mehr als 50.000 Menschen zogen am 5. September 2009 durch Berlin, um wenige Tage vor den Bundestagswahlen die Forderung nach einem sofortigen Ausstieg aus der menschen- und naturfeindlichen Technologie zu bekräftigen. Nur eins trübte das großartige Bild: das grüne Fahnenmeer.

Nun ist damit zu rechnen, dass bei der geplanten Anti-Atom-Menschen- und -Aktionskette vom Atomkraftwerk Brunsbüttel über Hamburg bis zum Skandalreaktor Krümmel neben den gelben Fahnen mit der Anti-Atom-Sonne erneut die Farbe Grün dominieren wird. Und auch die SPD mit ihrem Chef Sigmar Gabriel und die Linkspartei buhlen mit ihren Spitzenpolitikern um die Kettenspitze.

Nicht dass alle Atomkraftgegner mit grünem und auch nicht mit linkem oder sozialdemokratischem Parteibuch an einem Tag wie diesem zu Hause bleiben müssten - im Gegenteil: Der zahlenmäßig spektakuläre Wiederaufstieg der Anti-Atom-Bewegung ist nicht zuletzt der Rückkehr vor allem der Grünen auf die Straße zu verdanken, hatten sie doch unter Rot-Grün zu sehr auf Kompromiss mit der unnachgiebigen Atomlobby gesetzt und sich deswegen immer zögerlicher unter die Aktivisten gemischt. Aber dominieren sollen die Parteien die Sache nicht.

Gerade vor den Wahlen in NRW mag ein mediales Großereignis wie die Menschenkette ein attraktives und zudem unaufwendiges - weil nicht von ihnen organisiertes - Wahlkampfspektakel sein. Doch die hohe Parteipräsenz schadet der Bewegung. Die Anti-AKW-Bewegung hat ihre Stärke immer daraus gewonnen, dass sie unabhängig agiert und es ihr stets gelungen ist, nicht parteipolitisch instrumentalisiert zu werden. Nur deshalb waren und sind auch nach 30 Jahren so unterschiedliche gesellschaftliche Kräfte beteiligt.

Grüne, Linke, Sozialdemokraten, auch CDUler sollen sich am Samstag gern an den Händen fassen und in die Kette einreihen. Ihre Parteifahnen sollen sie aber bitte zu Hause lassen.

Felix Lee (35) ist taz-Redakteur für Politik von unten.

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Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

3 Kommentare

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  • WM
    Walther Mathieu

    Ich war selbst dabei, als die Grüne Partei 1979 ausdrücklich als parlamentarischer Arm der Anti-AKW Bewegung gegründet wurde.

     

    Diese Kontroverse ist vor 30 Jahren ausdiskutiert worden: wenn es keine Möglichkeit gibt, Atompolitik mit dem Wahlzettel abzustrafen, dann kümmern sich die Politiker weiterhin kein Bisschen um Volkes Willen. Das ist heute in Berlin so und war damals in Bonn nicht anders.

    Zu nah und zu stark (reich) ist die Atomlobby.

     

    Gestern war ich in Ahaus wieder dabei und habe *natürlich* eine *grüne* anti-AKW Fahne getragen - und ich habe mich sehr gefreut, dass so viele junge Grüne da sind, die sich um unsere Welt sorgen. Die wie ich genau wissen, dass der Wahlzettel der einzige Denkzettel ist, den die Kohle & Atomferkel Rüttgers & Merkel zur Kenntnis nehmen. Denn über die Menschen auf Demos lachen die sonst bloß (früher gab's für uns den Wasserwerfer).

     

    Es muss selbst den hoch bezahlten Dummköpfen in den Regierungsparteien klar werden, dass man *entweder* die erneuerbare Energierzukunft wollen kann *oder* die Wunschliste der monopolistischen Energiekonzerne erfüllen.

    Beides zusammen (a la NRW CDU) geht nicht!

     

    Zukunft besteht hier aus der Überwindung der Vergangenheit, neue Großkraftwerke und gar Atomkraft (wie in NRW) als "Übergangslösung" weiter im politischen Portfolio halten zu wollen ist gefährlich und dumm.

     

    Das muss als politische Aussage so bald wie möglich in unsere Parlamente bzw. dort viel lauter werden ... wie soll das gehen ohne die grüne Partei?

  • E
    eWolf

    Diese Diskussion ist wohl ebenso alt wie die Protestbewegungen. Und sie ist nie konsequent zu Ende gedacht worden. Warum gehen Menschen auf die Strasse, gründen BIs oder engagieren sich sonstwie in Gruppen?

     

    Es ist doch wohl so, dass überall dort ein Fehlen oder eine falsche Richtung von politischen Entscheidungen die Menschen aktiviert. Und das umso mehr, je höher die persönliche Betroffenheit ist.

     

    Daraus läßt sich der einfache Schluss ziehen, dass die gewählten Mandatsträger offenbar entgegen den Erwartungen der Wählerinnen & Wähler gehandelt haben.

     

    Und nun zeigt sich, was falsch gelaufen ist: Anstatt sich frühzeitig politisch zu engagieren und dafür zu sorgen, dass die Leute gewählt werden, die die eigenen Interessen vertreten, wird dann eine Protest-BI gegründet. Typischerweise - z.B. bei Strassenbauprojekten - nach der Planfeststellung, also wenn Baurecht besteht.

     

    Das ganze System dieser Planungsverfahren ist bewusst und vorsätzlich darauf abgestellt, die Bürgereinwände möglichst gar nicht erst in Massen herbeizuführen, und wenn doch, dann per Verwaltungsgericht abschmettern zu lassen. Siehe Flughäfen Frankfurt und Kassel-Calden, Autobahnen A44, A49...

     

    Der eingelullte Bürger pennt so lange, bis die Bagger in Sicht- und Hörweite kommen, und dann gründet er eine BI und muss sich umgehend vorwerfen lassen, dass er querulatorisch in demokratisch abgestimmte Verfahren eingreift. Was formal durchaus stimmt!

     

    Was lernen wir daraus: Es wäre besser gewesen, in den beiden vorangegangenen Legislaturperioden diejenigen Leute zu wählen, die korruptionsresistent und fachlich qualifiiziert die Interessen von Mensch und Natur wahrnehmen.

     

    Und da sind wir bei den Parteien auf den Demos: Nehmt sie mit, nehmt sie beim Wort, schickt sie in die Parlamente und hört endlich auf, eure Politikverdrossenheit an denen auszulassen, die es wirklich ernst meinen mit der Veränderung.

     

    Es macht keinen Spass, in den Parlamenten von überheblichen und strunzdummen Konservativen angemacht zu werden. Und es macht noch weniger Spass, auch noch von denen angepisst zu werden, deren Interessen man teilt und verteidigen will.

     

    Politik in diesem Sinne ist kein Karrieresprungbrett. Sie ist hartnäckiges Bohren von dicken Brettern für eine Sache, an die wir glauben. Und ich fordere verdammt nochmal von all den Intitiativlern, dafür anerkannt und nicht für meine Entscheidung, in die Politik zu gehen, mit Häme und Verdächtigungen überschüttet zu werden.

     

    PS: Julia (Pro) hat Recht!

  • I
    iBot

    Ich hab lange nicht mehr erlebt, dass beide Seiten so ausgewogen und objektiv geschrieben waren. Daumen hoch, gerne öfter so.